Auf dem CSD in Berlin

Hobbytrend Hundemaske: KURIER erklärt das Phänomen Puppy Play

Auf dem CSD in Berlin werden sie wieder im Rudel auftauchen. Junge Männer, die sich als Hunde verkleiden. Was steckt hinter dem Puppies-Trend?

Teilen
Sie haben tierischen Spaß: Pup Player werden wieder beim Christopher Street Day in Berlin zu sehen sein.
Sie haben tierischen Spaß: Pup Player werden wieder beim Christopher Street Day in Berlin zu sehen sein.Matthias Bein/dpa

In einem Monat ist es wieder so weit: Hunderttausende werden zur großen Parade am Christopher Street Day in Berlin erwartet. Der Demonstrationszug führt am 27. Juli von Kreuzberg über Schöneberg bis zum Brandenburger Tor. Und da wird man sie wieder sehen: Puppies. Männer, die sich als Hunde verkleiden. Hobbytrend Hundemaske: Das sogenannte Puppy Play wird beliebter. Es erregt Aufsehen, sorgt manchmal aber auch für Empörung. KURIER erklärt das Phänomen.

Ihr Hobby? Hund spielen. Sogenannte Puppies (oder Puppys) – benannt nach dem englischen pup/puppy für Hundewelpe – wissen, dass viele über ihre Vorliebe kichern. Einige zeigen sich auch empört, das sei doch pervers. Auch diesen Sommer sind wieder meist jüngere Männer mit Leder- oder Neopren-Hundemaske etwa am Christopher Street Day zu sehen. Was hat es damit auf sich? Zeit für eine Annäherung an ein Phänomen, das auch schon Polizei und Politik auf den Plan gerufen hat.

Beim Pup Play geht es darum, sich in die Rolle eines Hundes hineinzuversetzen

Pup Play ist ein Rollenspiel. In den letzten Jahren wurde es zu einem sichtbareren Phänomen etwa in sozialen Netzwerken und bei queeren Paraden und Festen. Human Pup Play kommt jedoch inzwischen meist entsexualisiert daher und buhlt (besser vielleicht: bellt) um Anerkennung und Inklusion in der queeren Szene und Gesellschaft.

„Beim Hobby Pup Play geht es darum, sich in die Rolle eines Hundes hineinzuversetzen und dessen Verhalten zu imitieren“, sagt der Ethnologe Konstantin Mack, der zu dem Thema an der Uni Würzburg seine Masterarbeit schrieb („Hund müsste man sein. Kulturanthropologische Perspektiven auf Pup Play“). „Ganz platt formuliert“, sagt Mack: „Es sind Erwachsene, die in ihrer Freizeit Spaß daran haben, auf allen Vieren einem Ball hinterherzujagen.“

Puppies organisieren sich in Vereinen, auch in Berlin gibt es immer mehr Geschäfte, die das entsprechende Zubehör anbieten.
Puppies organisieren sich in Vereinen, auch in Berlin gibt es immer mehr Geschäfte, die das entsprechende Zubehör anbieten.Michael Matthey/dpa

Charakteristisch für viele Pup Player sind Masken, Halsbänder, Leinen, die das Einfühlen in die Hunderolle erleichtern sollen. Ein Reiz liege darin, einen eigenen Hunde-Charakter zu entwerfen – mit individueller Persönlichkeit und passenden Accessoires. „In Deutschland wurden vor rund sechs Jahren die ersten Vereine gegründet beziehungsweise regelmäßige Veranstaltungen ins Leben gerufen, seither ist die Szene zunehmend im Wachstum“, sagt Mack, der jetzt Doktorand am Institut für Europäische Ethnologie der Universität Wien ist.

Zentral fürs Pup Play sei der sogenannte Headspace, erklärt Mack. „Damit beschreiben Puppies ihr Gefühl, wenn sie gänzlich in ihrer Rolle aufgehen. Für viele ist es ein fast meditativer Zustand, weil ihr Denken und Handeln nur noch darauf ausgerichtet ist, was Welpen gerne tun.“ Dazu gehörten Spielen, Bälle jagen, knurren, sich kraulen lassen, Herrchen oder Frauchen ärgern. Alltagssorgen blende man während des Spiels aus.

Die Community in Deutschland schätzt Mack auf eine hohe vierstellige Zahl an Leuten, inklusive Österreich liege sie „sicherlich“ im fünfstelligen Bereich. In den meisten mittelgroßen Städten und Großstädten im deutschsprachigen Raum gebe es regelmäßig Stammtische, wobei daran erfahrungsgemäß meist nur ein Bruchteil der praktizierenden Pup Player teilnehme. Viele lebten dieses Hobby auch einfach nur für sich aus oder primär online.

In Schöneberg gibt es die passenden Geschäfte für Pup Player

In Berlin gibt es inzwischen mehrere Geschäfte, die Zubehör für Pup Player anbieten. Zumeist in Schöneberg. Das sind etwa Boxer Berlin in der Eisenacher Straße 11, der R&Co Store in der Fuggerstraße 19. Da sieht man, dass das kein billiges Hobby ist. Es gibt Hundemasken aus Leder mit großen Ohren und roter Zunge für 269 Euro, aber auch Masken aus Neopren für 74,50 Euro.

Historisch geht das Pup Play, wie Mack erklärt, auf die 40er- und 50er-Jahre zurück, als sich in der queeren Community Amerikas die Leder-Szene entwickelt hat. Damals kamen Rollenspiele zwischen (menschlichem) Hund und dem „handler“ genannten Herrchen auf. Das war oft mit sadomasochistischem Sex verbunden.

„Über die Jahrzehnte hinweg verlagerte sich das, sodass die spielerische Freude, sich in das Verhalten eines Hundewelpen hineinzuversetzen, immer mehr an Bedeutung gewann“, sagt Mack. Bis heute seien die meisten Puppies Schwule. Das lasse sich wohl mit der historischen Verbindung zur Leder-, Lack- und Latex-Szene erklären. Doch grundsätzlich sei Pup Play nicht an Geschlecht oder sexuelle Orientierung gebunden. Puppies könnten männlich, weiblich, non-binär, schwul, lesbisch, bi, hetero oder auch asexuell sein.

Auch diese Gruppe junger Männer ist auf den Hund gekommen.
Auch diese Gruppe junger Männer ist auf den Hund gekommen.Julian Stratenschulte/dpa

Hat das Ganze heute noch viel mit Sex zu tun? Mack sagt: „Das reine Rollenspiel, also Aktivitäten mit anderen Puppies, ist für die große Mehrheit eine rein soziale Handlung – ein Hobby, wie Theaterspielen oder Schwimmen. Eine Verkürzung des Pup Play auf sexuelle Handlungen wird der Komplexität der Szene nicht gerecht, im Vordergrund steht der soziale Aspekt und das gemeinsame Spiel.“ Es gehe darum, sich auszuleben, Neues zu entdecken, gesellschaftliche Normen zu hinterfragen und Gleichgesinnte kennenzulernen.

„Das Hundespiel ist zu einer Art Vereinsmeierei geworden“

Gerade das findet ein früherer Dogplayer merkwürdig. „Mich stört, dass das heute so brav verkauft wird“, sagt Thomas (44) aus Berlin (Hundename: Gary). „Das Hundespiel ist zu einer Art Vereinsmeierei geworden – mit einheitlichen und oft auch viel zu teuren Masken. Anstatt das stolz als befreite Sexualität und versauten Kink zu benennen.“

Das Trendphänomen sorgte auch schon für Ärger. In Nordrhein-Westfalen ging es im Sommer letztes Jahr sogar im Landtag um die Frage, ob Pup-Play-Masken beim Christopher Street Day ein Ausdruck freier Persönlichkeitsentfaltung oder verbotene Vermummung seien. 

Die schwarz-grüne Landesregierung stellte in einer Antwort auf eine Anfrage der SPD klar, dies sei stets im Einzelfall zu prüfen. Vermummung wäre es, wenn Träger damit ihre Identitätsfeststellung zum Zwecke etwa der Strafverfolgung verhindern wollten. Wenn Maskierungen nicht durch Strafnormen oder das Versammlungsrecht verboten seien, dürfe man auch maskiert an einer Demo teilnehmen. Es gebe kein Verbot von Fetisch-Masken „aus ästhetischen, politischen oder moralischen Gesichtspunkten“. Anlass der Anfrage waren ein Masken-Verbot durch die Polizei beim CSD in Recklinghausen gewesen sowie ähnliche Vorfälle 2019 in Aachen und 2018 in Essen. ■