Mit einer Fanveranstaltung beginnt das Berliner Gallery Weekend: In der Neuen Nationalgalerie wird Christoph Schlingensiefs Performance „Deutschland Versenken“ aus dem Jahr 1999 zum ersten Mal dauerhaft in einem eigenen Raum gezeigt. Das Werk ist ein Geschenk von Schlingensiefs Witwe Aino Laberenz, die den Nachlass des verstorbenen Film- und Theaterkünstlers verwaltet.
Die zentrale Szene ist ebenso ikonisch wie verstörend: Christoph Schlingensief kniet im Schatten der Freiheitsstatue in New York nieder und übergibt eine Urne dem Hudson River, angeblich gefüllt mit der „Asche Deutschlands“. Ein symbolischer Akt, der das Ende der alten Bundesrepublik und den Versuch markiert, sich vom nationalen Ballast vor dem neuen Jahrtausend zu befreien.
Die Neue Nationalgalerie sieht darin eine kraftvolle Geste gegen die bleierne Schwere deutscher Erinnerungskultur. Ob sie mit der bleiernen Schwere deutscher Erinnerungskultur Anselm Kiefer meint, ist unklar. Von Leichtigkeit kann aber auch bei der Schlingensief-Performance nicht die Rede sein.
Eingebettet ist das Video in das Projekt „Deutschlandsuche '99“, das sich mit dem Zustand der Nation zur Jahrtausendwende auseinandersetzt. Im neu eingerichteten Raum werden zudem weitere filmische Arbeiten Schlingensiefs gezeigt, die seine künstlerische Handschrift der Provokation, Ironie und schonungslosen Selbstbefragung tragen. Die Ausstellung ist mehr als ein Blick zurück – sie ist eine Auseinandersetzung mit Fragen, die noch immer brennen: Wer sind wir? Woher kommen wir? Und was macht „deutsch sein“ heute aus?
Christoph Schlingensief, der am 21. August 2010 im Alter von nur 49 Jahren an Lungenkrebs starb, gilt bis heute als einer der unbequemsten und zugleich visionärsten Künstler des Landes. Über Jahrzehnte hinweg sprengte er mit seinen Theaterinszenierungen („Kühnen '94 – Bring mir den Kopf von Adolf Hitler!“, 1993), Filmen („Das deutsche Kettensägenmassaker“, 1990) und Aktionen die Grenzen zwischen Kunst und Aktivismus.

Immer wieder griff er nationale Traumata auf, sezierte die deutsche Identität und stellte Autoritäten in Frage – oft albern und laut, manchmal derb, aber immer mit einem unbestechlichen Gespür für gesellschaftliche Bruchlinien.
Die Ausstellung ist auch eine stille Hommage an die Beziehung zwischen Aino Laberenz und Christoph Schlingensief. Im August 2009 gaben sich die beiden das Jawort – nur ein Jahr später starb der Künstler.
Schlingensiefs Kunst gehört nicht ins Archiv
Laberenz, heute 44 Jahre alt, hat es sich zur Aufgabe gemacht, sein Werk lebendig zu halten und sein Vermächtnis nicht nur zu bewahren, sondern in aktuelle Diskurse einzubringen. Mit der Schenkung an die Neue Nationalgalerie setzt sie ein starkes Zeichen: Schlingensiefs Kunst gehört nicht ins Archiv – sie gehört mitten ins gesellschaftliche Gespräch.

Beim Gallery Weekend (bis 4. Mai) zeigen 52 Galerien Werke von mehr als 80 Künstlerinnen und Künstlern aus mehr als 20 Ländern. Vorglühen konnte man schon: Im Haus der Visionäre in Berlin-Treptow etwa startete am 1. Mai die Pop-up-Galerie The Ürban Art mit Werken von 25 bekannten Street-Art-Künstlerinnen und -Künstlern.

Auch das traditionsreiche Champagnerhaus Ruinart startete schon in das Gallery Weekend. In den geschichtsträchtigen Räumen des PalaisPopulaire, direkt an der Flaniermeile Unter den Linden, wurde zum dritten Mal die Ruinart Champagne & Art Bar eröffnet.
Im Mittelpunkt des Abends stand der Berliner Künstler Julian Charrière. Der 37-Jährige bringt mit seinem Werk die tiefe „Verbindung von Natur, Zeit und Terroir der Champagne“ zum Ausdruck. Die Art Bar kann noch bis 4. Mai besucht werden.