Als 2015 die Flüchtlingszahlen in die Höhe schnellten, versprach der Berliner Senat schnelle Lösungen: Modulare Unterkünfte, kurz MUFs, sollten her. Die Idee klang nach Allzweckwaffe: Schnell bauen, flexibel nutzen, später regulär vermieten. Flüchtlinge sollten hier ein Zuhause finden – und danach Berliner, die dringend eine Wohnung brauchen.
Heute, zehn Jahre später, bleibt von dieser Vision nicht viel übrig. Die Bilanz ist ernüchternd. Von 53 geplanten Standorten wurden zwar 36 realisiert. Doch sieben Projekte strich der Senat komplett, zehn dümpeln noch immer in der Planungsphase. Während die Ordner in den Amtsstuben immer dicker werden, platzen die bestehenden Unterkünfte längst aus allen Nähten.
Flüchtlingsunterkünfte: Restplätze gibt es nur vereinzelt – im einstelligen Bereich
Neue Zahlen der Sozialverwaltung zeigen es: In der Quedlinburger Straße (Charlottenburg-Wilmersdorf) leben 560 Menschen – freie Plätze: null. In der Wittenberger Straße (Marzahn-Hellersdorf): alle 416 Betten belegt. Neukölln, „An den Buckower Feldern“: Vollauslastung. Restplätze gibt es nur vereinzelt – im einstelligen Bereich.
Und beim Neubau? Kaum Land in Sicht. In Friedrichshain-Kreuzberg etwa soll die MUF an der Alten Jakobstraße frühestens Ende 2028 fertig sein. In Lichtenberg (Köpenicker Allee) rechnet man gleich mit 2030. Andere Standorte? „Derzeit nicht einschätzbar“, heißt es lapidar in den Akten.
Der BSW-Abgeordnete Alexander King stellte der Sozialsenatsverwaltung daher jetzt diese Frage: „Was geschieht nach Ablauf der MUF-Verträge?“
Denn ursprünglich hieß es: Wenn die Flüchtlinge ausziehen, profitieren andere Bedürftige – etwa Wohnungslose. Davon ging der Berliner Politiker jedenfalls aus. Auf seine Anfrage bekam King nur die Antwort: Es gebe „keine Festlegung“, die eine bevorzugte Vergabe an Wohnungslose vorsieht.
Für King ist das ein klarer Wortbruch: „Die Zahl der Wohnungslosen und der von Wohnungslosigkeit Bedrohten steigt in Berlin dramatisch an. Konkrete Abhilfe tut Not.“ Die Nachnutzung der MUFs? „Mal angedacht“, sagt er. Doch offenbar habe der Senat diesen Plan längst stillschweigend beerdigt.
King: Andere soziale Interessen spielen faktisch keine Rolle
Doppelt bitter: Von Nachnutzung könne ohnehin keine Rede sein, weil die Unterkünfte randvoll seien. Und: Vorrang hätten die bisherigen Bewohner – also Geflüchtete. „Was ja an sich verständlich ist“, räumt King ein. „Aber andere soziale Interessen wie die Behausung von Wohnungslosen spielen damit faktisch keine Rolle.“
Die Senatsverwaltung verweist auf die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Sie sollen entscheiden, wie es nach den Mietverträgen weitergeht. Manche MUFs müssten ohnehin umgebaut oder rechtlich umgewidmet werden, bevor sie regulär vermietet werden könnten. Doch selbst dann sollen vor allem die Geflüchteten bleiben dürfen. Wörtlich heißt es: „Es liegt im Interesse des Senats, dass die in den MUF-Standorten wohnenden Menschen mit Fluchtgeschichte übernommen werden.“
King nennt es „schade“, dass die wachsende Zahl der Wohnungslosen damit aus dem Blick gerate. Tatsächlich warnen Hilfsorganisationen seit Monaten vor einer dramatischen Zuspitzung. Schon im Januar lebten über 53.000 Menschen ohne Wohnung in Berlin – ein Rekordwert. Prognose der Senatsverwaltung: Bis 2029 steigt die Zahl auf fast 86.000.
Und das ist nicht alles. Obendrauf kommen noch einmal rund 30.000 Geflüchtete, die ebenfalls untergebracht werden müssen. Doch das Ankunftszentrum Tegel steht ab 2026 nicht mehr als Massenunterkunft zur Verfügung. Neuankömmlinge sollen dann direkt auf die Bezirke verteilt werden – die schon heute an der Belastungsgrenze sind.
Der Senat versucht gegenzuhalten, spricht von einem „Sockelportfolio“ an Unterkünften, das künftig auch Wohnungslosen offenstehen soll. Doch Stand heute bleibt die bittere Wahrheit: Die MUFs sind für Jahre blockiert – und Berlin steuert sehenden Auges auf eine doppelte Wohnungsnot zu.