Theater-Debüt

Migranten-Drama: Filmschauspielerin Sibel Kekilli am Berliner Ensemble gefeiert

Der frühere „Tatort“-Star Sibel Kekilli liest aus einem beklemmenden Buch von Michel Friedman und bekommt stehenden Applaus.

Author - Karim Mahmoud
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Sibel Kekilli in der inszenierten Lesung von „Fremd“ im Berliner Ensemble.
Sibel Kekilli in der inszenierten Lesung von „Fremd“ im Berliner Ensemble.Martin Müller/imago

Sibel Kekilli sitzt ganz in Schwarz an einem Tisch auf der Bühne. Nur eine durchsichtige Scheibe trennt sie vom Publikum. Diese Distanz ist gewollt. Andocken unmöglich. Das Gesicht der Schauspielerin und Frauenrechtlerin, die man aus dem „Tatort“ und Migranten-Filmen wie „Gegen die Wand“ oder aus „Game of Thrones“ kennt, wird auf eine Stoffleinwand projiziert, riesig, erdrückend – und anklagend.

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01.07.2014

Es ist Kekillis Theaterdebüt. Sie liest den lyrischen Text „Fremd“ von Michel Friedman. Es ist eine inszenierte Lesung. Eine ohne Szenen. Regisseur Max Lindemann hat einzig das Gesicht seiner Schauspielerin zum Leben erweckt.

Sibel Kekilli sitzt nicht als Opfer auf der Bühne

In „Fremd“ erzählt Michel Friedman aus Kinderperspektive von seiner Kindheit in Paris und Deutschland. Vom Fremdsein als Fremder unter gefährlichen Fremden. Seine jüdischen Eltern haben den Holocaust überlebt. Wie ist es jetzt, im Land der Täter aufzuwachsen, zwischen Trauma und Rassismus? Das Kind versucht – als Migrant – seinen Platz in der Welt zu finden. „Menschen, die irgendwo im Nirgendwo leben“, zitiert die gebürtige Türkin Kekilli aus dem berührenden Text, der für alle Migrantinnen und Migranten sprechen soll.

Was diesen sparsamen und reduzierten Abend trotz seines beklemmenden Tons wohltuend macht, ist die Darstellung. Sibel Kekilli sitzt nicht als ohnmächtiges Opfer auf der Bühne. Ihre Worte sind lyrisch, aber ihr Gesicht ist, bei allem riesenhaften Schmerz, immer trotzig und herausfordernd. Und auch das Leben von Michel Friedman selbst zeigt ja, er ist längst der Ohnmacht entwachsen  – wie so viele Migrantinnen und Migranten in diesem Land, die sich emanzipiert haben.

Am Schluss gibt es eine herzliche Umarmung von Friedman und stehenden Applaus im Neuen Haus am BE. ■