Der King of Pop und die Rocklegende aus der DDR: Kaum zu glauben, dass sich Michael Jackson und die Puhdys einmal ganz nahe standen, ohne es zu ahnen. Wie es dazu kam, gehört zu den vielen Geheimnissen und unbekannten Anekdoten, die uns jetzt Dieter „Maschine“ Birr erzählt, der am 18. März 80 Jahre alt wird.
Die meisten Fans glauben, fast alles von den Puhdys und von Maschine zu wissen. Doch der einstige Frontmann der Kultband hat uns noch nicht alle Geschichten erzählt. Maschine holt es nun im KURIER und in dem jüngst erschienenen Buch „Was bisher geschah“ (Rotbuch-Verlag, 256 Seiten, 25 Euro) nach, das der Rocker mit dem Musikjournalisten Christian Hentschel verfasst hat.

Darin wird auch die Begebenheit mit Michael Jackson angesprochen. Was war denn da genau los, wollen wir vom KURIER von Maschine wissen, als wir uns mit ihm zum Gespräch treffen. Und der Rocker erzählt.
Es war 1997, als die Puhdys in den Dierks-Studios bei Köln ihr Album „Frei wie die Geier“ produzierten. Die Aufnahmeräume sind seit den 70er-Jahren bei Musikern weltweit gefragt. Die Scorpions, Eric Burdon, Bob Geldof und seine Boomtown Rats und sogar Ike und Tina Turner nahmen dort Songs auf. Einen Weltstar in den Dierk-Studios anzutreffen, ist also keine Seltenheit.

Dieter „Maschine“ Birr: Wand an Wand mit Michael Jackson
Und so passiert es, dass die Puhdys im Studio arbeiten und eine Tür weiter, nur durch eine Wand getrennt, im Nachbarraum Michael Jackson steht und aufnimmt. Der Star ist gerade in Deutschland mit seiner „HIStory World Tour“ unterwegs. „Und einen freien Tag hat er offenbar für die Arbeit im Studio genutzt“, sagt Maschine.
Die ostdeutschen Rocker bekommen allerdings den King of Pop nicht zu sehen. „Wir haben uns auch nicht irgendwo extra hingestellt, um einen Blick auf Michael Jackson zu erhaschen“, sagt Maschine. Dass er überhaupt im Studio war, davon zeugten seine sympathischen Bodyguards, die im Aufenthaltsraum standen, und die Berichte der Studiotechniker, die die Puhdys trafen.
Sie erzählten, dass Michael Jackson im Studio einfach irgendwelche Sachen ausprobieren wollte. Dabei saß der King of Pop mit hochgelegten Beinen am Mischpult und hörte über die Studioboxen konzentriert das Ergebnis seiner Arbeit an. Diese Methode des intensiven Hineinhörens in die Musik liebt auch Maschine. „Auch wenn wir ihm nicht begegnet sind – es war schon ein besonderes Gefühl, hinter der Studiowand Michael Jackson zu wissen.“
Erste Puhdys-Tour im Westen: Im Publikum war Udo Lindenberg

Ein anderer Star lud dagegen die Puhdys zu sich ein. Das war Udo Lindenberg. Was heute ein ganz normales Treffen wäre, war damals 1976 eine deutsch-deutsche Sensation. Damals dürfen die Puhdys das erste Mal im Westen touren. Nach Auftritten auf einem Brauereifest in Belgien und in holländischen Diskotheken sind Maschine und Co. 13 Jahre vor dem Mauerfall am 9. November 1976 in Hamburg, spielen in der legendären Fabrik.

Im Publikum ist auch der Panik-Rocker, der in der DDR viele Fans hat, aber von der Staats- und Parteiführung nicht gerade geliebt wird. „Udo wusste, dass wir kommen“, sagt Maschine. „Er lud uns für den nächsten Tag zu sich ein, schenkte jedem von uns seine damals aktuelle LP ,Sister King Kong‘.“ Auf dem Album ist übrigens der Titel „Rock’n’Roll-Arena in Jena“ zu hören, in dem Lindenberg erstmals musikalisch den Wunsch äußert, vor seinen Fans in der DDR auftreten zu wollen.

Dieter „Maschine“ Birr: „Meiner Mutter verdanke ich, dass ich Profimusiker wurde“
Dass Maschine überhaupt Profimusiker wurde, verdankt er seiner Mutter. Im neuen Buch verrät der Rocker, dass er von der Musikschule geflogen war. „Das war aber noch vor meiner Puhdys-Zeit. Ich war an der Schule für Tanzmusik in Berlin-Friedrichshain. Man brauchte von dort einen Abschluss, wenn man einen Berufsausweis als Musiker haben wollte.“

Doch Maschine schwänzte ab und zu den Unterricht: „Mal hatte ich eine Mugge, mal war ich einfach zu faul. Das war nichts Besonderes, viele haben manchmal gefehlt. Doch plötzlich war es ein großes Drama, und sie hatten mich rausgeworfen. Meine Mutter ist daraufhin zur Schule, hat gebettelt und gefleht. Schließlich haben sie mich wieder angenommen.“
Dieter „Maschine“ Birr: Auch die Puhdys hatten Auftrittsverbote
Zu den kaum bekannten Fakten gehört, dass auch die Puhdys in der DDR Auftrittsverbote bekamen. So in den Anfangsjahren der Band in Sachsen, wie Maschine zu berichten weiß: „Das war in Brand-Erbisdorf. Wir hatten eine Nebelmaschine, lange Haare und haben nur Englisch gesungen. Und natürlich waren wir zu laut. Schon hatten wir dort Auftrittsverbot. Wir sind dann noch zum Bürgermeister, um uns zu beschweren, doch ich selbst bin nicht mitgegangen, weil ich die längsten Haare hatte.“
Jahre später kommt es zu einer „Randale“ im Leipziger Zentralstadion. Die Puhdys treten dort nach einer Großveranstaltung auf.

„Damit die Leute nicht auf dem Rasen rumlatschen, wurde das komplette Feld mit dünnen Platten ausgelegt. Auf denen standen wir mit unserem Equipment auch, es gab keine Bühne“, erinnert sich Maschine. „Es wurden andauernd irgendwelche öden Reden gehalten, sodass das Publikum gar nicht mehr abwarten konnte, bis wir endlich anfingen. Und als es dann endlich so weit war, stürmten die Massen zu uns runter und überrannten uns förmlich. Da war die Hölle los, der Mikrofonständer war verbogen, irgendwo lagen Schuhe rum, jedenfalls mussten wir nach dem ersten Song aufhören. Das war natürlich gut fürs Image, aber wir konnten eine ganze Weile nicht mehr in Leipzig spielen.“
Das Video zur neuen Single von Dieter „Maschine“ Birr
Frank Schöbel sorgte für ersten Hitparaden-Erfolg der Puhdys

Für den Anfangserfolg der Puhdys in den Hitparaden sorgt übrigens Frank Schöbel. Der hat Anfang der 70er-Jahre beim Radiosender „Stimme der DDR“ die Sendung „Beatkiste“. Dort stellt er den ersten eigenen Puhdys-Song „Türen öffnen sich zur Stadt“ vor – und dieser wird ein Hit. Bei den Aufnahmen zu dem Lied entstand auch ein weiterer Titel. „Als wir gestern schieden“ entspricht jedoch nicht den Erwartungen der Puhdys, sie lassen die Aufnahme löschen.

Maschine verrät, dass er am liebsten noch einen anderen Song nie gehabt hätte. Er steht zwar zu allen seinen Platten, aber mit „Puhdys 2“ (1974) hat er noch immer seine Probleme. Darauf ist der Song „Jodelkuh Lotte“ zu hören. Im Text geht es um ein Rindvieh, das den Verkehr lahmgelegt hat, und im Refrain singt Maschine „Holt doch endlich bloß die Polizei“. „Ich finde mich da beim Singen selber albern“, sagt Dieter Birr dem KURIER.
Dieter „Maschine“ Birr: Ein Song für die Wildecker Herzbuben
Was kaum einer weiß: Maschine schrieb und schreibt auch Songs für andere Künstler. Etwa für die DDR-Schlager-Stars Peter Albert und Thomas Lück. Irgendein Lied, das für jemand anderen bestimmt war, landet sogar bei den Wildecker Herzbuben. Maschine komponiert in den 90ern auch Songs für die Schlagersängerin Dunja Rajter, die auch den Puhdys-Hit „An den Ufern der Nacht“ covert und danach ihr Album benennt.
Sogar das Dancepop-Trio ATC, das im Jahr 2000 mit „Around The World (La La La La La)“ die Charts stürmt, bekommt von Maschine einen Song: „Er heißt ,Until‘, es ist die fünfte Nummer auf ihrem Debüt ,Planet Pop‘. Der Kontakt kam über unsere Plattenfirma. ,Until‘ gefiel offensichtlich der Band und dem Produzenten. Ich hatte mich darüber sehr gefreut.“

Maschine macht es einfach Spaß, mit anderen Künstlern zu arbeiten oder sich auf anderen Gebieten auszuprobieren – etwa beim Film. In der ARD-Komödie „Comeback für Freddy Baker“ (1999) treten die Puhdys nicht nur auf, Maschine schreibt auch den Song „Gigolo“, den Mario Adorf singt. Der Rocker und der Schauspieler werden Freunde.

Dieter „Maschine“ Birr: In Äthiopien wird mit ihm bezahlt
Was kaum einer weiß, Maschine steht auch als Schauspieler vor der Kamera. Im DDR-Film „Wahlverwandtschaften“ (1974) ist er in einer Nebenrolle als Maurergeselle zu sehen. Es ist nur ein kleiner Text, den Birr vor der Kamera zu sagen hat. Am Ende wird seine Stimme synchronisiert.
Übrigens: In Äthiopien wird mit Birr gehandelt und bezahlt. So heißt die dortige Landeswährung. Aktuell bekommt man für einen Birr umgerechnet 0,016 Euro.
Wie viele Geschichten aus seinem Leben er noch zu berichten hat? Das wird Maschines Geheimnis bleiben. Vielleicht verrät er einiges bei dem einen oder anderen KURIER-Gespräch oder veröffentlicht ein nächstes Buch. Denn Maschine hat noch genug zu erzählen. ■
