Der Tod der fünfjährigen Anissa in Pankow erschütterte. Neun Monate später entschied das Urteil gegen den Babysitter Gökdeniz A. (20): acht Jahre und neun Monate Jugendstrafe.
Richter Uwe Nötzel: „Er ist zweifelsfrei überführt – schuldig des Totschlags.“ Doch die Frage, warum die Kleine sterben musste, bleibt unbeantwortet: „Der Angeklagte hat geschwiegen, ein Motiv konnten wir nicht klären.“ Das mache dem Gericht zugleich Sorgen: „Was da noch in ihm schlummern mag.“
Anissa-Prozess: Staatsanwältin hält Angeklagten für „extrem gefährlich“
Weil Tumulte befürchtet wurden, waren 14 Wachtmeister mit im Saal. Leise weinte Anissas Mutter, die Nebenklägerin war. Der Richter: „Eine besonders verabscheuungswürdige Tat.“ Doch keine unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus – so hatte es die Staatsanwältin beantragt. Sie hält A. für „extrem gefährlich“.
Der Richter: „Die Erkenntnisse sind nicht ausreichend für eine lückenlose Diagnose.“ Es habe nicht genügend Anhaltspunkte dafür gegeben, dass A.s Schuldfähigkeit tatsächlich erheblich vermindert war. Und Mordmerkmale wie ein Sex-Motiv seien nicht festgestellt worden.
Die Staatsanwaltschaft hatte vor der Verurteilung auf eine Jugendstrafe von neun Jahren plädiert und zudem eine Unterbringung des 20-Jährigen in einem psychiatrischen Krankenhaus gefordert. Denn der Angeklagte sei ohne Behandlung „extrem gefährlich“, wie die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer beteuerte.
Im Bürgerpark Pankow auf das Kind seiner Bekannten eingestochen
Der 21. Februar. Gökdeniz A., ein Bekannter der Mutter (25), war als Babysitter mit Anissa und den drei jüngeren Schwestern der Fünfjährigen auf dem Paule-Spielplatz in Pankow. Bis Anissa zur Toilette musste.
Mit dem Kind an der Hand verließ er den Spielplatz. Gegen 15 Uhr stach er im Bürgerpark in Pankow nach Überzeugung des Gerichts auf das Mädchen ein. Sieben wuchtige Stiche, vier davon in den Rumpf. Der Richter: „Es war eine vorsätzliche Tötung.“ Weil die jüngeren Geschwister von Anissa allein auf dem Spielplatz waren, hatten Passanten die Polizei gerufen.
Als Gökdeniz A. allein zurück zum Spielplatz kam, waren bereits Beamte vor Ort. Er gab sich besorgt. Ein Polizist: „Er sagte, er sei mit ihr etwa eine halbe Stunde unterwegs gewesen, weil sie auf Toilette musste.“ Sie sei dann in ein Gebüsch. Babysitter A. soll beschrieben haben: „Ich drehte mich um, dann drehte ich mich wieder um – da war sie weg.“
„Kühl und emotionslos“ wirkte er auf Zeugen bei der Suche nach dem vermissten Mädchen. Saß mit im Funkwagen, irritierte mit seinen Angaben. Ein Beamter: „Er sorgte dafür, dass wir im Karree fuhren.“ Anissas Mutter schrie ihn an: „Wo bist du langgelaufen? Du solltest aufpassen!“ Bis eine Lehrerin (40) und ihre Tochter (12) das leblose Kind in einem Gebüsch entdeckten. Ein Polizist in dem dreimonatigen Prozess: „Sie lag da, als ob sie hingeworfen wurde. Ich hob sie hoch, rannte mit dem Kind los.“
A. habe nur gesagt, er wisse nicht, was passiert sei. Noch vor Ort wurde er festgenommen. Er sitzt seitdem in Untersuchungshaft.
Der gefährliche Babysitter, der Anissas Mutter seit Jahren kannte und in den Monaten vor der schrecklichen Tat die Nähe zu Sibel C. gesucht hatte, Sohn einer Gastronomen-Familie, hatte Schwierigkeiten in der Schule, zeigte dort ein gestörtes Verhältnis gegenüber Mädchen, liebt Kinderfilme. Eine Psychiaterin bescheinigte ihm eine Intelligenzminderung und kognitive Einschränkungen.
Das Gericht blieb nur knapp unter der nach Jugendstrafrecht möglichen Höchststrafe von zehn Jahren. In der Hoffnung, dass er als nicht gefährlich aus der Haft kommt. ■