Erst die Puhdys, dann City und jetzt macht die nächste Ost-Band Schluss. Die Rede ist von Pankow, die mit aufmüpfigen Songs in der DDR Kultstatus genoss. Die Musiker wollen 2025 auf Abschiedstour gehen. Ein Ende nach 44 Bandjahren: André Herzberg (69), Jürgen Ehle (67) und Co. haben nun verraten, warum sie keine Lust mehr haben, als Pankow weiter auf der Bühne stehen zu wollen.
In die Prater-Gaststätte in Prenzlauer Berg hatte die Band geladen, um ihr Ende offiziell zu verkünden. Der Ort war mit Absicht gewählt. Bereits 1998 hatte Pankow dort schon einmal mitgeteilt, von der Rockbühne abzutreten. Damals, als Ostbands scheinbar nicht mehr gefragt waren, „gab es vor allem Bedenken, ob wir noch wirtschaftlich in der Lage sind, weiter auf Tour gehen zu können“, sagt Gitarrist Jürgen Ehle.
Aber dann kam 2003 ein Anruf von der Kölner Rockband BAP, die mit Pankow unbedingt im Jahr darauf auf Tour gehen wollten. „Zwar wurden daraus nur drei Konzerte“, sagt Ehle. „Aber bei den Veranstaltern wuchsen das Interesse und auch die Nachfrage, wieder mit Pankow Konzerte zu machen. 23 Konzerte in einem Monat: Das weckte bei uns das noch immer vorhandene Adrenalin – und wir gingen wieder auf Tour.“ Sogar neue Songs entstanden, die dann 2011 auf dem Album „Neuer Tag in Pankow“ erschienen.

Doch nun will die Band für immer einen Schlussstrich ziehen. „Wenn etwas Neues entstehen soll, braucht es Kontinuität – und die ist nicht mehr da“, sagt Ehle. Zwischen den Touren legten die Pankow-Mitglieder oft zwei bis drei Jahre ein, in denen nichts Kreatives geschah. Kein neuer Song, kein neues Album, kein Auftritt – weil jeder der Musiker mit anderen Projekten beschäftigt war.
So ähnlich lief es auch schon vor dem ersten Pankow-Aus vor 26 Jahren, meint Sänger André Herzberg. Er schildert, wie damals Keyboarder Andreas Dziuk nach einem Konzert auf einem Stadtfest in Stendal ihm von einem Zuschauer erzählte, der mit seiner Bratwurst vom Stand kauend vor der Bühne stand. Da sei für Herzberg im Tourbus der Moment gekommen, zu erklären, dass es Zeit sei, mit Pankow aufzuhören.
Pankow hört auf: „Es gibt Momente, da ist einfach Schluss – so wie bei einer Party“

Was ist an einem Mann mit einer Bratwurst auf einem Stadtfest so schlimm? In ihm sah Herzberg offenbar, wo die Band eines Tages landen könnte. „Wir wollen mit Pankow nicht am Ende nur im Autohaus oder auf einem Stadtfest spielen. Und wir wollen auch nicht in einer RTL-Ostalgie-Show auftreten oder als Beiwerk mit dem Sandmännchen um die Ecke winken“, sagt der Sänger dem KURIER. „Es gibt Momente, da ist einfach Schluss – so wie bei einer Party.“
Klare, deutliche Worte: Dafür wird und wurde Pankow von den Fans geliebt. Schon im Gründungsjahr 1981 präsentierte sich die Band rotzfrech. Was ihnen an der DDR-Gesellschaft nicht gefiel und es zu kritisieren gab, wurde schonungslos offen in den Songs besungen, was andere Bands im SED-Staat mit lyrischen Texten umschrieben. Damit ging Pankow neue Wege in der DDR-Rockmusik. Bei ihnen musste man nicht erst zwischen den Zeilen suchen, was wirklich gemeint war.
Gleich in Ungnade fiel ihr Rocktheater-Spektakel „Paule Panke“, das kritisch das Leben eines DDR-Lehrlings erzählte. Die staatliche Plattenfirma Amiga traute sich nicht, das Stück auf Platte zu pressen. Doch später wurde man bei Amiga mutiger. So erschien 1988 die LP „Aufruhr in den Augen“, auf der Pankow ohne Umschweife die Zustände in der DDR beschrieb: „Dasselbe Land zu lange geseh’n / Dieselbe Sprache zu lange gehört / Zu lange gewartet, zu lange gehofft / Zu lange die alten Männer verehrt“, singt Herzberg im Song „Langeweile“, das sich auf dem Album befindet.
Ein anderer Song, der übrigens vom Debüt-Album „Kille kille Pankow“ von 1982 stammte, durfte in der DDR bald nicht mehr gespielt werden. Das Lied „Inge Pawelczik“, diese „wilde Wahnsinnsmaus“ – eine DDR-Lehrerin gleichen Namens, die den Song nun gar nicht toll fand, sorgte für ein Aufführungsverbot.
Wie sehr die Stasi Pankow im Blickfeld hatte, erfuhr die Band erst sieben Jahre nach dem Mauerfall. Da kam heraus, dass Gitarrist Jürgen Ehle als IM arbeite, offenbar nachdem der damalige Pankow-Schlagzeuger Frank Hille 1985 die DDR verlassen hatte. Mit seinen Berichten habe er die Band vor der Auflösung bewahren und André Herzberg schützen wollen, der mit seiner großen Klappe häufig bei den Kulturfunktionären aneckte, erzählte Ehle später.
Pankow-Sänger André Herzberg: „Wir feiern unsere Trennung!“

„Wir sind wie eine Familie oder eine Firma“, in der man Höhen und auch Tiefen erlebt, sagt Sänger Herzberg. „Wir gehen nicht in Zorn und Langeweile“, erklärt er weiter. Im Gegenteil: „Wir haben viel gemeinsam mit den Fans gemacht und geteilt, was es wert ist, gefeiert zu werden. Daher werden wir nun unsere Trennung feiern!“, sagt Herzberg.
Für die Abschiedstour sind zunächst 15 Konzerte geplant. Los geht es am 17. Januar 2025 in Cottbus. Die Tour führt nach derzeitiger Planung nur durch den Osten Deutschlands – unter anderem nach Dresden, Rostock und Hoyerswerda. In Berlin werden Pankow am 15. Februar 2025 (im Kesselhaus) und in Potsdam am 25. Januar 2025 (Lindenpark) auftreten. Der Karten-Vorverkauf soll am 1. Februar 2024 starten.

Wo das letzte Pankow-Konzert stattfindet, steht noch nicht fest. Für den Sommer 2025 plant man noch Open-Air-Auftritte. Ob bei der Tour befreunde Musiker oder ehemalige Pankow-Mitglieder (wie Silly-Bassist Jäcki Reznicek) als Gäste auftreten werden, ist noch unklar. Klar ist, dass es noch eine neue Single von Pankow in diesem Herbst geben wird. „Ein Album bekamen wir nicht hin“, gibt Gitarrist Ehle zu.
Was von dem damaligen „Aufruhr“ der Pankow-Musiker heute geblieben ist? „Wir sind selbst tief bürgerlich“, sagt Sänger Herzberg dem KURIER. „Aber wir wollten Spaß haben. Und es hat auch Spaß gemacht, ab und zu auf den Tisch zu hauen, um bestimmte Leute zu ärgern.“
Pankow-Sänger Herzberg: Zum ersten Mal jeden Monat Geld aufs Konto
Auch wenn es künftig Pankow nicht mehr geben wird – in die Rockerrente gehen die Musiker nicht. „Obwohl Jürgen und ich schon richtige Rente beziehen“, sagt Herzberg. „Zum ersten Mal in meinem Leben bekomme ich jeden Monat Geld aufs Konto!“