Prozess gegen Oberarzt

Charité: Eine Krankenschwester brachte den „Priester“ vor den Richter

Angeklagt wegen Totschlags: Zwei Patienten starben an einer Überdosis Propofol, als Kardiologe Gunther S. (Spitzname: Priester) Dienst hatte

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Der Platz an der Anklagebank ist noch leer. Der Arzt kam erst, als die Fotografen aus dem Gerichtssaal waren. Neben dem leeren Stuhl steht die mitangeklagte Krankenschwester.
Der Platz an der Anklagebank ist noch leer. Der Arzt kam erst, als die Fotografen aus dem Gerichtssaal waren. Neben dem leeren Stuhl steht die mitangeklagte Krankenschwester.Pressefoto Wagner

Eine Krankenschwester wollte nicht schweigen: Sie gab einen anonymen Hinweis, brachte als Whistleblowerin einen Top-Herzmediziner der berühmten Berliner Charité auf die Anklagebank.

Sie ist 28 Jahre, engagiert in ihrem Beruf. Nun saß sie als Hauptzeugin der Anklage im Prozess wegen Totschlags in zwei Fällen im Gerichtssaal. Der Staatsanwalt am Rande: „Sie ist eine Whistleblowerin und sehr mutig. Wäre die Hinweisgeberin nicht tätig geworden, wäre das Verfahren nicht eingeleitet worden.“

Auf der Anklagebank ein Oberarzt, der auf der kardiologischen Station den Spitznamen „Priester“ hatte. Oberarzt Gunther S. (56) nun wegen Totschlags in zwei Fällen vor Gericht - vorgeführt aus der Untersuchungshaft. Mitangeklagt wegen Beihilfe in einem Fall eine Krankenschwester: Katja W. (39).

Die kardiologische Intensivstation wurde zum Tatort

Die Charité, Campus Virchow-Klinikum, kardiologische Intensivstation wurde laut Anklage zum Tatort. Der Oberarzt habe sich „aus eigensüchtigen Motiven als Herr über Leben und Tod aufgespielt“, so der Staatsanwalt. S. und W. schwiegen zu Prozessbeginn.

Oberarzt Gunther S. (56) arbeitete als Oberarzt in der kardiologischen Intensivstation  der Charité, Campus Virchow-Klinikum.
Oberarzt Gunther S. (56) arbeitete als Oberarzt in der kardiologischen Intensivstation der Charité, Campus Virchow-Klinikum.Ritter/imago

Der 22. November 2021. Ein Patient in einem höchst kritischen Zustand. Pflegekräfte wollten ihn retten. Die Zeugin: „Dann machte der Doktor ein Echo vom Herzen und saget, die Reanimation könne eingestellt werden. Er habe Katja W. angewiesen, eine Spritze mit Propofol aufzuziehen – 25 Milliliter des Sedierungsmittels. Schwester W. habe „irritiert geguckt“. S. habe die Anordnung wiederholt. Da habe sie die Spritze gesetzt.

Der Arzt soll eine bewusstlose und beatmete Patientin (73) mit zwei Überdosen Propofol getötet haben

Die Whistleblowerin: „Im Nachhinein war auch ich irritiert, wegen der Menge, es war viel.“ Sie und Schwester W. hätten kurz nach dem Tod des 73-Jährigen beschlossen: „Dass man das, was passiert ist, nicht noch einmal machen würde.“

Am 23. Juli 2022 soll der Arzt eine bewusstlose und beatmete Patientin (73) mit zwei Überdosen des Sedierungsmittels getötet haben. Nach der ersten Spritze habe er das Beatmungsgerät abgestellt. Die Zeugin: „Es gab noch Vitalzeichen. Dann ging er, um nochmal Propofol zu holen, injizierte 20 ml.“

Was „Priester“ bedeuten sollte? Sterbebegleitung? Sterbehilfe? Die Zeugin hatte keine Antwort. Fortsetzung: Freitag. ■