Ein Bekannter war jüngst in China. Abends ging er mit einer etwa 100 Meter langen Straßen-Baustelle vor seinem Hotel ins Bett. Am nächsten Morgen war die Piste fertig, der Belag auf der Straße. Vielleicht steckt ein wenig Flunkern in der Geschichte. Vielleicht sind auch die Vorgaben nicht so gewaltig wie in Deutschland. Aber eines ist sicher: In China gibt es kein Bürokratie-Monster.
In Deutschland lebt es dagegen gut und es geht ihm scheinbar immer besser. Zwar betonen die Politiker aller Parteien immer wieder, dass Bürokratieabbau wichtig ist, doch gefühlt passiert nichts. Einfach mal machen ist nicht. Lesen Sie mal von einem Straßenbahn-Projekt im Süden der Stadt.

2006 begannen die Planungen für das Projekt der Straßenbahnlinie 62
2006 wird die Verlängerung der Straßenbahnlinie 62 zum S- und Regionalbahnhof Mahlsdorf auf die Agenda gesetzt. Es geht um 1,7 Kilometer. Ein Planungsverfahren beginnt. Unfassbare zwölf Jahre dauert es, bis nach allein vier Beteiligungsveranstaltungen mit Bürgern ein Plan feststeht. Die BVG hat unter mehreren Streckenverläufen einen Favoriten gekürt.
Jetzt können detaillierte Planungen starten. Fünf Jahre später ist man nicht wirklich weiter, aber um 2,6 Millionen Euro ärmer. Die Strecke der Tram soll nach Willen von Senat und BVG zweigleisig in der Hönower Straße verlaufen, der Autoverkehr dafür auf der Straße An der Schule. 2023 beginnt das Planfeststellungsverfahren, zwölf Monate später startet die Verwaltung die Genehmigungsprozedur.
Für diesen Monat kündigte Staatssekretärin Britta Behrendt in der Berliner Zeitung an, dass „die BVG die überarbeitete Planfeststellungsunterlagen einreichen wird". Die muss nun bearbeitet werden. Zudem droht Ungemach durch die Bürger mit Eingaben oder gar Klagen. Und so geht die Zeit weiter ins Land. Baubeginn könnte 2028 sein. Zwei Jahre sind für die 1,7 Kilometer veranschlagt.
Neue Ideen in der Politik bedrohen das Tram-Projekt der Line 62
Die Rechnung hat ab er noch eine große Unbekannte. Bevor es losgehen kann, muss erst einmal die Straße An der Schule gebaut werden. 481 Bürger haben bei der öffentlichen Auslage der Planungsunterlagen 150 Einwendungen zum Projekt, von Behörden und sonstigen Trägern kamen 45 Einwendungen. Das alles zu bearbeiten wird dauern und so könnte frühestens im dritten Quartal 2027 der Baustart erfolgen. Anderthalb Jahre sind veranschlagt.
So kann es also frühestens 2029 mit dem Tram-Bau losgehen. Der wäre dann vielleicht 2031 oder 2023 fertig. Aber halt, stop so weit muss es nicht kommen. Einige Politiker von CDU und SPD finden die Planungsgrundlage von 2018 schon wieder überholt und machen sich für andere Streckenführungen für Tram und Auto stark. Setzen sie sich durch, ist das Projekt entweder tot oder auch in den nächsten 20 Jahren nur ein großer Aktenberg.