Spannung vor der Stichwahl: An diesem Sonntag (12.11.) entscheidet sich im Landkreis Dahme-Spreewald, ob die AfD den bundesweit zweiten Landrat stellt oder ein parteiloser Kandidat künftig die Geschicke leitet. In einem zweiten Wahlgang treten der parteilose Kandidat Sven Herzberger und AfD-Mann Steffen Kotré erneut gegeneinander an.
Im ersten Wahlgang am 8. Oktober im Landkreis im Süden Brandenburgs erhielt keiner der Bewerber die absolute Mehrheit. Kotré und Herzberger hatten sich bis zum Ende der Stimmabgabe ein Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert. Beide kamen jeweils auf rund 35 Prozent der Stimmen, wobei der AfD-Bewerber knapp vorn lag. Die Amtszeit des neuen Landrats beginnt am 1. März 2024.
Wie stehen die Chancen für Herzberger?
Sven Herzberger (54), seit fünf Jahren Zeuthener Bürgermeister, wird von allen Parteien außer der AfD unterstützt. Nachdem SPD-Kandidatin Susanne Rieckhof mit rund 30 Prozent der Stimmen Dritte wurde, bot sie noch am Wahlabend Herzberger Unterstützung an.
Der brandenburgische SPD-Generalsekretär David Kolesnyk rechnet mit einem Erfolg des Parteilosen. Allerdings sei es wichtig, dass die Wählerinnen und Wähler der übrigen Parteien dann erneut zur Wahl gingen, um nicht den AfD-Anhängern das Feld zu überlassen, so Kolesnyk. „Die entscheidende Frage ist: Wer mobilisiert die Wähler besser“, sagte Herzberger der dpa.
Auch von CDU-Landtagsfraktionschef Jan Redmann bekommt Herzberger Rückenwind. Er sieht nach dem ersten Wahlgang beste Chancen, dass Herzberger Landrat werden kann. „Wir unterstützen ihn deshalb, weil wir davon überzeugt sind, dass er diesem Landkreis guttun würde, dass er die notwendige Erfahrung auch mitbringt, eine Verwaltung zu leiten, dass er auch inhaltlich die Positionen teilt, die die CDU im Landkreis im Programm hat“, so Redmann.
Kann der AfD-Kandidat das Rennen für sich entscheiden?
Die AfD möchte als Rechtsaußenpartei mit ihrem Bewerber Kotré (52) an den Erfolg im thüringischen Sonneberg anknüpfen - dort stellt sie den deutschlandweit ersten AfD-Landrat. Kotré selbst setzt auf die Nichtwähler, wie er der dpa sagte. „Wenn es uns gelingt, eine signifikante Zahl von Nichtwählern zur Wahl zu bringen, dann rechne ich mir durchaus Chancen aus.“ Unterstützt werde er von denen, die eine „ideologiefreie“ Politik wollten, sagte er.
Wirtschaft setzt Zeichen gegen Rechts
Im Landkreis ansässige Unternehmen, Forschungs- und Bildungsstätten wie etwa die TH Wildau oder das Unternehmen Bionova Biogas aus Königs Wusterhausen sprechen sich klar gegen Extremismus aus. In einem gemeinsamen Appell heißt es unter anderem: „Weltoffenheit, gegenseitiges Verständnis und Respekt sind Werte, auf denen der Wohlstand unserer Region aufgebaut ist - gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist das wichtiger denn je. Auch unser Tourismus kann nur florieren, wenn wir Weltoffenheit leben und Extremismus eine klare Absage erteilen.“ Der Aufruf, den die Bürgerbewegung Campact angeregt hat, wurde in Zeitungen veröffentlicht.
Was sind die künftigen Vorhaben der Bewerber für den Landkreis?
Herzberger, der sich als integrierenden Menschen bezeichnet, will regionale Wirtschaftskreisläufe stärken und den strukturschwächeren Süden mehr mit dem Norden vernetzen. „Wichtig ist, dass man zusammenführt und nicht spaltet“, sagt der 54-Jährige.» Seine Verwaltung soll nah an Bürgern und Unternehmen sein.
Zur Fachkräftegewinnung macht sich der 54-Jährige für einen Ausbildungscampus stark. Er setzt auf gute Bildung und genügend Schul- und Kitaplätze. Den ÖPNV will er ausbauen. Zur Migration sagt er: Für Menschen, die vor Krieg und Verfolgung flüchten, muss Platz sein.
Kotré will den Zuzug beenden und die Abschiebung von Migranten voranbringen. Für Flüchtlinge will der 52-Jährige nach eigenen Worten „keinen einzigen Euro mehr“ ausgeben. Der Bundestagsabgeordnete, der im Havelland wohnt, setzt bei Mobilität zum Beispiel auf Diesel statt auf E-Busse. Den ÖPNV will er weiterentwickeln, Geld für Klimamaßnahmen hält er für verschwendet. Auch eine bessere Ärzteversorgung und Kita- und Schulausbau stehen auf seiner Agenda.
Richtungsentscheidung für den Landkreis nahe Berlin
Die Wahl in einem der einwohnerstärksten Landkreise gilt als richtungsweisend. Dahme-Spreewald verzeichnet anders als in anderen Regionen Brandenburgs seit Jahren Zuzug. Der Landkreis profitiert im Norden von der Nähe zu Berlin und guter Infrastruktur. Mit dem höchsten Bruttosozialprodukt im Land ist der Landkreis wirtschaftlich einer der stärksten in Ostdeutschland. Doch auch Dahme-Spreewald muss wie andere Landkreise eine Vielzahl von Herausforderungen bewältigen: Ärzteversorgung, Finanzierung des Mehrbedarfs an Kitas und Schulen, Migration, Nachhaltigkeit, Mobilität und Energiewende.