Versorgung auf dem Land

Wehe, du hast in Ostprignitz-Ruppin oder Spree-Neiße einen Herzinfarkt

Auf dem Land in Brandenburg lebt man gefährlich: Zu selten sind Rettungsdienste schnell genug am Einsatzort.

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Ein Rettungswagen fährt zu einem Einsatz. Nicht immer schaffen es die Retter in der gesetzlich vorgegebenen Zeit zum Einsatzort.
Ein Rettungswagen fährt zu einem Einsatz. Nicht immer schaffen es die Retter in der gesetzlich vorgegebenen Zeit zum Einsatzort.dpa

Bei der Arbeit auf der Koppel hat den Landwirt eine Wespe gestochen. Der Mann reagiert allergisch und erleidet einen Schock. Sein Notfallmedikament hat er nicht gleich parat. Wenn er nun auf einen Rettungswagen warten müsste, sähe es womöglich schlecht um ihn aus. Fast jeden Sommer kommt in dem kleinen Dorf 15 Kilometer von Neuruppin entfernt, wo wir unsere Wochenenden verbringen, deswegen der Hubschrauber.

Wenige Minuten können im Ernstfall entscheidend sein

Alle wissen, das nächste Krankenhaus ist 20 Minuten Fahrt entfernt. Wenn ein Notfall eintritt, ist Hilfe oft nicht sofort verfügbar. Im Dorf gibt es daher auch Überlegungen, am Gemeinschaftshaus einen Defibrillator anzubringen. Denn gerade hier, in abgelegenen Gegenden Brandenburgs, brauchen Rettungswagen oft viel zu lange, um zu den Patienten zu kommen. Was, wenn wenige Minuten über Leben und Tod von Menschen entscheiden?

Das Problem von zu spät kommenden Rettungswagen ist in Brandenburg flächendeckend, wie Antworten auf eine neue Anfrage belegen. Nur in den Ballungszentren Brandenburg an der Havel und in Frankfurt (Oder) haben Brandenburgs Rettungsdienste 2022 die gesetzlichen Vorgaben zur Frist für Noteinsätze einhalten können.

Die zentrale Aufnahme des Universitätsklinikums Ruppin-Brandenburg.
Die zentrale Aufnahme des Universitätsklinikums Ruppin-Brandenburg.dpa

In den anderen kreisfreien Städten Potsdam und Cottbus sowie in allen Landkreisen überschritten die Einsatzkräfte die vorgegebene Frist von 15 Minuten zu oft, wie aus der Antwort des Gesundheitsministeriums in Potsdam auf eine Anfrage aus der AfD-Landtagsfraktion hervorgeht. Angaben für das vergangene Jahr sind laut Ministerium nicht vor dem kommenden Frühjahr zu erwarten.

Alle Menschen auf den entlegeneren Dörfern wissen darum, dass im Ernstfall Hilfe auf sich warten lässt. Man fährt deswegen bei Problemen lieber eher als zu spät selber in die Klinik. Den Zeitverzug hat man bei Schmerzen und gesundheitlichen Problem immer im Hinterkopf.

15 Minuten Frist bis zum Eintreffen am Einsatzort

Nach den Bestimmungen des Brandenburgischen Rettungsdienstgesetzes müssen die Rettungswachen jeden Einsatzort an einer öffentlichen Straße in 95 Prozent aller Fälle in einem Jahr innerhalb von 15 Minuten erreichen. Diese sogenannte Hilfsfrist umfasst den Zeitraum vom Eingang einer Notfallmeldung in der Leitstelle bis zum Eintreffen der ersten Rettungskräfte am Einsatzort.

Gerade in den Flächenländern, wo kleinere Städte oft 15 bis 20 Kilometer voneinander entfernt sind, Dörfer nur über Nebenstraßen erreichbar, ist diese Frist oft nicht einzuhalten. Wenn das schon absehbar ist, wird oft gleich ein Hubschrauber alarmiert.

Doch auch wo früher die Rettungsdienste noch pünktlicher waren, hat sich die Versorgung 2022 verschlechtert. So konnte etwa 2021 in Cottbus die gesetzliche Hilfsfrist noch eingehalten werden.

Am häufigsten verfehlt wurde die Vorgabe 2022 im Landkreis Spree-Neiße wie schon im Jahr 2021 mit nur 81 Prozent. Im Landkreis Ostprignitz-Ruppin, wo die Entfernungen ebenso weit sind,  konnten nur 82 Prozent (2021: 84 Prozent) der Einsätze innerhalb der gesetzlichen Frist bewältigt werden.

Früheren Regierungsangaben zufolge konnten die Rettungseinsätze im Jahr 2012 noch in allen vier kreisfreien Städten und in zwei Landkreisen die gesetzliche Quote einhalten. Zwei Jahre später waren es nur noch zwei Städte und zwei Landkreise.

Bringt die Reform Entlastung?

Laut Gesundheitsministerium wird mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform der Notfallversorgung auch eine bessere Vernetzung des vertragsärztlichen Notdienstes, der Notaufnahmen in den Krankenhäusern und der Rettungsdienste angestrebt. Es sei davon auszugehen, dass eine effizientere Steuerung von Hilfeersuchen in die richtige Versorgungsebene die Rettungsdienste entlasten werde, heißt es in der Antwort auf die Anfrage. ■