Auf unserer Datsche in Brandenburg alt werden. Das ist ein Traum. Doch was, wenn man nicht mehr Auto fahren kann oder mag? Bis zum nächsten Supermarkt sind es 15 Kilometer. Die reißt man betagt und vielleicht mit Zipperlein nicht mal mit dem E-Bike regelmäßig runter, wenn es um die tägliche Versorgung mit Lebensmitteln geht. Unsere Hoffnung, über die wir scherzend sprechen: Wenn wir alt sind, gibt es längst einen Lieferdienst per Drohne. Und tatsächlich, nur ein paar Dörfer weiter geht jetzt der erste Drohnen-Lieferdienst in den Testbetrieb.
Dorfladen zu, Kneipe auch
In vielen kleinen Dörfern in Brandenburg und anderswo sieht es so aus: Der Dorfladen hat zugemacht. Die Kneipe ebenso. Der mobile Bäcker, der längst auch Wurst, Butter und Käse im Angebot hat, kommt immer seltener. Demografischer Wandel und sinkende Bevölkerungsdichte sorgen in vielen ländlichen Regionen Brandenburgs dafür, dass es immer schwerer wird, sich im Alltag mit Lebensmitteln zu versorgen. Ohne Auto oder nette Nachbarn und Kinder, die Einkäufe mitbringen, geht hier gar nix. Der Weg zum nächsten Markt ist weit.
Ohne Auto geht auf dem Land nix
Davon betroffen sind alle Bewohner ländlicher Regionen, besonders aber weniger mobile Gruppen wie junge, ältere und jene Menschen ohne eigenes Auto.
Wie aber die Versorgungs- und Lebensqualität auf dem Land zukünftig aufrechterhalten? Das ist eine zentrale gesellschaftliche Frage, für die eine Antwort derzeit ganz konkret in Wusterhausen/Dosse erprobt wird.
Das Modell- und Demonstrationsvorhaben „Stadt-Land-Drohne“ will herausfinden, ob zukünftig Lieferdrohnen einen Beitrag zur Verbesserung der Nahversorgung im ländlichen Raum leisten können. Dafür geht der Drohnen-Lieferservice „Marktschwalbe“, der die Händler auf dem Wochenmarkt der Kleinstadt mit drei abgelegenen Ortsteilen der Gemeinde verbindet, im Juni in den Testbetrieb. Win-win-Situation, könnte man meinen. Die Markthändler profitieren von neuen Kunden, die Abgehängten sind auf einmal ganz modern wieder mittendrin im Einkaufsgeschehen.
Einmal Einkauf per Drohne bitte
Bestellt wird dabei niedrigschwellig über einen Online-Marktplatz oder bei Mitarbeitenden per Telefon. Abgeholt werden die kostenfrei gelieferten Marktprodukte in den bis zu zwölf Kilometer entfernt liegenden Dörfern dann von zentralen Abholpunkten durch die Kunden und Kundinnen selbst. Für ein Gelingen des Projekts wird die einfache Abwicklung von Bestellung und Zahlung ausschlaggebend sein. Auch das wird getestet.

Mit bis zu fünf einsetzbaren Lieferdrohnen und einer Transportkapazität von jeweils bis zu 3 Kilogramm soll damit ein ergänzendes Nahversorgungsangebot erprobt werden, das nicht nur die Lebensqualität für die rund 350 Menschen vor Ort erhöhen, sondern auch den lokalen Einzelhandel stärken soll.
Bevor der Service für alle Bürgerinnen und Bürger geöffnet wird, werden die Lieferungen zunächst gemeinsam mit interessierten Testhaushalten erprobt, berichtet Tobias Biehle vom Projektkoordinator Luftlabor: „Wir haben das Betriebskonzept gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern vor Ort entwickelt. Für einen verlässlichen und attraktiven Service werden wir jetzt sicherstellen, dass die kaufmännischen, logistischen und technischen Aspekte gut ineinandergreifen.“
Fernüberwachung mittels Mobilfunk
Zu den technischen Aspekten, die funktionieren müssen, zählt insbesondere die Fernüberwachung der Drohnenflüge, erklärt Sven Jürß vom Projektpartner und Drones-as-a-Service-Anbieter Dronegy: „Wir haben in Deutschland rechtlich aktuell eine gute Situation, um die Potenziale von Transportdrohnen voll entfalten zu können.“ Die Technik entwickle sich zudem rasant weiter und ermögliche immer größere Einsatzspektren, so der Drohnenpilot. „Wichtige Voraussetzung für den sicheren Betrieb ist dabei die stabile Datenübertragung zwischen Kontrollraum und Drohne“, ergänzt Tim Müller, Geschäftsführer der wherever SIM GmbH.
Sein Unternehmen unterstützt das Vorhaben mit M2M-SIM-Karten, die den Zugang zu allen Mobilfunknetzen in Deutschland ermöglichen und damit entlang der langen Lieferstrecken eine stabile Verbindung sichern.

Modellvorhaben für den ländlichen Raum
Lieferungen per Drohne haben in der Bevölkerung Zuspruch: Aktuell befürworten knapp drei Viertel der Deutschen den Drohneneinsatz für Warenlieferungen im ländlichen Raum. „Mit der ‚Marktschwalbe‘ in Wusterhausen werden wertvolle Praxiserfahrungen gesammelt, ob und wie mit Drohnen die Nahversorgung in ländlichen Räumen verbessert werden kann. Unser Anspruch besteht darin, ein Modell zu entwickeln, von dem auch andere Kommunen profitieren können“, so Dr. Robin Kellermann vom Luftlabor.
Dass die Gemeinde Wusterhausen/Dosse dabei Pionierarbeit leistet, weiß auch Bürgermeister Philipp Schulz: „Wenn die Erfahrungen positiv sind, können wir perspektivisch noch weitere Ortsteile in das Liefernetzwerk aufnehmen. Gleichzeitig sind wir sehr offen, mit unseren Drohnen neue Wege für eine verbesserte kommunale Daseinsvorsorge zu erkunden.“ Infrage kommen dabei unter anderem die Feuerwehr, der Bauhof oder örtliche Agrarbetriebe.
Der Drohnen-Lieferservice wird zunächst bis Februar 2025 betrieben. Bereits während der Projektlaufzeit wird in Zusammenarbeit mit dem Landkreis eine Verstetigung geplant.
Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) begleitete unterdessen am Freitag am Flugplatz Welzow (Spree-Neiße-Kreis) einen weiteren Versuch: den ersten Drohnenflug mit Papierpost - in dem Fall Zeitungen. „Die Innovation kann perspektivisch für die Menschen auf dem Land ein großer Gewinn sein“, schrieb Steinbach bei der Plattform X. Zustellfahrzeuge sind mit den automatisch fliegenden Geräten ausgestattet. Diese übernehmen dann mittels einer 5G-Netzanbindung eine letzte Wegstrecke bis zum Empfänger. Ein Ziel: Zeitaufwendige Touren bis in entlegene Dörfer sollen vermieden werden. Das Projekt ist Teil der 5G-Strategie des Landes - also für schnellen Datenverkehr und eine bessere Mobilfunkübertragung.
DHL plant keinen Regelbetrieb mit Drohnen
Der Lebensmittelhandel zeigt sich offen für neue Lösungen, wie der Bereichsleiter für Standort- und Verkehrspolitik, Michael Reink, vom Handelsverband Deutschland auf Anfrage sagte. „Ob und wann sich eine regelmäßige Warenlieferung per Drohne in Deutschland durchsetzen wird, ist zurzeit nicht vorauszusehen.“ Bisher seien Drohnen etwa für eilige Lieferungen wie Arzneimittel mit geringem Gewicht eingesetzt worden, so Reink. „Die technischen Sprünge sind jedoch enorm, sodass mittlerweile auch schwerere Pakete per Drohne transportiert werden können.“
Auch die Deutsche Post hatte einen sogenannten Paketkopter einige Jahr lang für Testzwecke und zur Forschung eingesetzt. Dabei wurden Medikamente etwa zur Nordseeinsel Juist und in die deutschen Alpen geflogen. „Alle Forschungsprojekte sind abgeschlossen, weitere Projekte mit dem DHL Paketkopter oder ein Regelbetrieb für die Paketzustellung in Deutschland sind derzeit nicht geplant“, teilte der Logistiker DHL mit. ■