Kiffer ratlos

Berliner Bezirksämter total verpeilt: Es gibt immer noch keine Cannabis-Regeln

Eine Verordnung, die die Zuständigkeiten im Zusammenhang mit dem Cannabisgesetz regelt, gibt es noch nicht. Auch die Bezirksämter sind hilflos, Cannabis-Clubs können nicht starten. KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen.

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Kiffen ist inzwischen erlaubt, aber das mit den Cannabis-Clubs bekommt Berlin nicht auf die Reihe.
Kiffen ist inzwischen erlaubt, aber das mit den Cannabis-Clubs bekommt Berlin nicht auf die Reihe.Hannes P Albert/dpa

Auch in Sachen Cannabis wirken die Berliner Bezirksämter etwas verpeilt. Die Cannabis Social Clubs haben lange auf den Tag gewartet: Seit heute können sie Lizenzen für den legalen Grasanbau beantragen. Doch den Mitarbeitern in den Behörden qualmen die Köpfe: Bis heute sind die Regularien immer noch nicht festgelegt, aus den Bezirksämtern kommt nur hilfloses Schulterzucken.

Eigentlich sollte jetzt der Traum vieler Kifferinnen und Kiffer Konturen annehmen: Menschen, die gemeinschaftlich Gras anbauen wollen, können ab sofort eine entsprechende Lizenz bei den Berliner Bezirksämtern beantragen. Nach Eingang aller Angaben und Nachweise würden die Anträge der Gesundheitsverwaltung zufolge innerhalb von drei Monaten bearbeitet. Alles nur Theorie.

Denn eine Verordnung, die die Zuständigkeiten im Zusammenhang mit dem Cannabisgesetz regelt, gibt es nach Angaben der Sprecherin noch nicht. Bis dahin liege die „Auffangzuständigkeit“ bei den Bezirken. Geplant sei, dass die Bezirke auch in Zukunft zuständig seien.

Doch die Bezirksämter sind alles andere als vorbereitet. Am Freitag teilte das Bezirksamt Pankow der Deutschen Presse-Agentur mit, dass „zu diesem Thema nichts bekannt“ sei. Aus Marzahn-Hellersdorf hieß es, die Bezirksverwaltung hätten diesbezüglich keine Informationen von der zuständigen Senatsverwaltung erreicht.

Viele Details sind in Berlin bislang allerdings völlig ungeklärt, zum Beispiel, ob Anträge per E-Mail oder Post eingereicht werden sollen und welche Abteilung innerhalb der Ämter zuständig ist. Bei den Cannabis Social Clubs sorgte das bereits im Vorhinein für Unmut. „Die Lösung ist unausgereift und hätte bereits vor Wochen in die Wege geleitet werden können“, kritisiert Jana Halbreiter vom Verband Cannabis Anbauvereinigungen Deutschland (CAD).

Unklar sei nicht nur der Kontaktweg, sondern etwa auch, welcher Bezirk zuständig sei, wenn sich die geplante Anbaufläche und die Abgabestelle für Mitglieder in unterschiedlichen Bezirken befinden. „Der Senat hat es nach Monaten lediglich geschafft, den schwarzen Peter weiterzureichen“, kritisiert Jana Halbreiter. Dem CAD sei kein Club in Berlin bekannt, der nun bereit wäre, seine Unterlagen abzugeben.

Laut Gesundheitsverwaltung soll die Verordnung zügig verabschiedet werden. Die Umsetzung des Gesetzes stelle die Behörde vor große Herausforderungen. Was klar ist: Zügig heißt in Berlin nicht rechtzeitig.

Drei Monate nach der Freigabe von Cannabis für Erwachsene und für den privaten Anbau mit zahlreichen Vorgaben tritt am heutigen 1. Juli eigentlich die zweite Stufe in Kraft. Nun können nicht-kommerzielle „Anbauvereinigungen“ mit bis zu 500 Mitgliedern an den Start gehen. Volljährige Menschen können dann Cannabis gemeinsam anbauen und untereinander zum Eigenkonsum abgeben. Die Clubs müssen eine Erlaubnis beantragen, gesetzlich vorgesehen sind auch regelmäßige Kontrollen.

Was genau sind die Anbauvereine?

Erlaubt sind jetzt „Anbauvereinigungen“, wie sie offiziell heißen. Also so etwas wie Clubs für Volljährige, in denen bis zu 500 Mitglieder Cannabis nicht-kommerziell anbauen und untereinander zum Eigenkonsum abgeben. Organisiert sein müssen sie als eingetragene Vereine oder Genossenschaften – als Stiftung oder Unternehmen geht es nicht. Zum Zweck gehört es dem Gesetz zufolge auch, Cannabis-Samen und Stecklinge weitergeben zu können und über Suchtvorbeugung zu informieren.

Welche Voraussetzungen gibt es?

Die Mitglieder müssen mindestens sechs Monate in Deutschland wohnen, und für Mitgliedschaften muss eine Mindestzeit von drei Monaten gelten. Das soll laut Ministerium Drogentourismus vermeiden. Die Vorstandsmitglieder dürfen nicht wegen Drogendelikten vorbestraft sein. Das Anbau-Areal darf kein Wohngebäude sein und keine auffälligen Schilder haben. Werbung ist tabu, auch Cannabis-Konsum vor Ort und 100 Meter um den Eingang herum. Zu Schulen, Spielplätzen und anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen müssen es mindestens 200 Meter Abstand sein.

Was können Vereine jetzt tun?

Loslegen können Anbauvereine nun damit, eine amtliche Erlaubnis zu beantragen. Angeben müssen sie unter anderem die Mitgliederzahl, Standort und Größe der Anbauflächen, voraussichtliche Cannabis-Jahresmengen, Sicherungsmaßnahmen und ein Gesundheits- und Jugendschutzkonzept. Die Erlaubnis gilt dann befristet für sieben Jahre, nach fünf Jahren kann sie verlängert werden. Zu rechnen ist bei den Anträgen mit drei Monaten Bearbeitungszeit, wie es aus mehreren Ländern hieß.

Wo können Vereine Anträge stellen?

Der Deutsche Städtetag beklagte, dass es wenige Tage vor dem Start noch nicht überall abschließend klar war, wer für Genehmigungen und Kontrollen zuständig ist. Festlegen sollen das die Länder, und so gibt es nun verschiedene Stellen für Anträge – von der Landwirtschaftskammer in Niedersachsen über das Regierungspräsidium in Freiburg für ganz Baden-Württemberg bis zum Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung in Rheinland-Pfalz. Im Land Berlin gibt es noch keine Verordnung. Die „Auffangzuständigkeit“ liege vorerst bei den Bezirken, wie es aus dem Senat hieß. Welches Fachamt in den Bezirken zuständig sein soll, war zunächst unklar.

Torsten Dietrich (l.) ist Vorsitzender des Cannabis Social Club Berlin. Er wird mit Constantin Welz, Geschäftsführer AS Biopharm, zusammenarbeiten, der später das angebaute Cannabis analysieren soll.
Torsten Dietrich (l.) ist Vorsitzender des Cannabis Social Club Berlin. Er wird mit Constantin Welz, Geschäftsführer AS Biopharm, zusammenarbeiten, der später das angebaute Cannabis analysieren soll.Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Wie viel Cannabis bekommen Mitglieder?

Die Mengen sind begrenzt. Pro Tag sind es höchstens 25 Gramm je Mitglied und im Monat höchstens 50 Gramm. Für 18- bis 21-Jährige sollen monatlich 30 Gramm mit höchstens zehn Prozent Tetrahydrocannabinol (THC) zulässig sein, das ist der Stoff mit der Rauschwirkung. Auch anbauen dürfen die Vereine nicht einfach so viel, wie sie wollen. Die Erlaubnis gilt für feste Jahresmengen, die sich am Eigenbedarf der Mitglieder orientieren. Mehr muss vernichtet werden. Nur Mitglieder dürfen Pflanzen anbauen, gießen, düngen, beschneiden – keine bezahlten Beschäftigten. Mitglieder dürfen das Cannabis nicht an andere weitergeben, zulässig ist dies nur für Samen.

Welche Vorgaben gibt es noch?

Um Cannabis zu bekommen, muss man es persönlich vor Ort entgegennehmen, den Mitgliedsausweis und einen amtlichen Ausweis mit Foto vorlegen. Erlaubt ist nur Cannabis in Reinform: als getrocknete Blüten und blütennahe Blätter (Marihuana) oder abgesondertes Harz (Haschisch). Verboten sind Mischungen mit Tabak, Nikotin oder Lebensmitteln. Die Verpackung muss neutral sein. Auf einem Infozettel müssen unter anderem Gewicht, Sorte, der durchschnittliche THC-Gehalt und Hinweise zu Risiken des Konsums aufgeführt werden. Ein Kaufpreis darf nicht verlangt werden, finanzieren sollen sich die Vereine durch ihre Mitgliedsbeiträge. Geregelt sind auch Dokumentationspflichten für die Vereine und regelmäßige amtliche Kontrollen.

Was ändert sich außerdem?

Auf Wunsch der Länder schärfte der Bund gerade noch einige Vorgaben nach, damit keine größeren Cannabis-Plantagen entstehen. Die Länder können auch jeweils bei sich eine im Gesetz gegebene Möglichkeit anwenden, die Zahl der Anbauvereine in einem Kreis oder einer Stadt auf einen Verein je 6000 Einwohner zu begrenzen. Ein vorerst letztes Gesetz mit Cannabis-Regeln für Autofahrer soll der Bundesrat am 5. Juli billigen. Für THC am Steuer soll dann künftig ein Grenzwert von 3,5 Nanogramm je Milliliter Blut gelten – ähnlich wie die 0,5-Promille-Grenze für Alkohol. In Kraft treten dürfte das Gesetz samt Bußgeldern bei Verstößen noch im Sommer.  ■