Ein 40-jähriger Portugiese feiert seine Tore mit dem eingesprungenen Cristiano Ronaldo. Miroslav Klose würzte manchen seiner Treffer mit einem Salto. Jürgen Sparwasser rannte beim Tor seines Lebens, dem 1:0 im WM-Spiel 1974 zwischen der DDR und der BRD, mit in die Höhe erhobener rechter Faust los, um sich von den Mitspielern einfangen zu lassen.
Ähnlich Gerd Müller, der nach seinem 2:1-Siegtor im damaligen Finale gegen die Niederlande im Lauf immer wieder hochsprang und dabei einen Arm senkrecht in die Luft streckte. Reinhard Häfner, der Dresdner, der mit seinem Tor zum 3:1 im Olympiafinale 1976 gegen Polen die Goldmedaille endgültig eintütete, rannte zur Eckfahne, drehte sich zurück zum Spielfeld und ließ sich bäuchlings fallen.
Sheraldo Becker schoss aus der Hüfte
Sheraldo Becker, um zum 1. FC Union zu kommen, kennt man als Spiderman, der aus der Hüfte schießt. Dazugehörige Maske inklusive. Der Varianten des Jubels über einen Treffer gibt es viele. Mancher, so scheint es, legt in die Überlegung, wie ein Tor am trefflichsten zu feiern sei, fast mehr Kreativität als in sein Spiel. Das ist gehässig, schon klar, aber ganz ohne ist dieser Eindruck nicht. Wobei ein wenig Show für die Kollegen, noch mehr für die Tribüne und heutzutage vor allem für die TV-Kameras durchaus salonfähig ist.
Doch es gibt auch eine andere Art des Jubels. Der respektvolle, eher stille, fast in sich gekehrte. Der, den man sich nicht traut, weil es ein Treffer gegen ein Team ist, zu dem man vor nicht allzu langer Zeit selbst gehört hat oder im unglücklichsten Fall zum Gegner allenfalls ausgeliehen ist. Meist sieht die Geste so aus: Arme in Höhe der Hüften beschwichtigend vom Körper wegdrücken, jedwede Siegerpose vermeiden, ein wenig unschuldig blicken und zur Sicherheit den Zeigefinger senkrecht auf die Lippen legen. So, wie man einem Kleinkind beibringt, bitte mal ruhig zu sein. Bloß keine Zweideutigkeit, die, da sind Kritiker erbarmungslos, als gehässig oder rachsüchtig ausgelegt werden könnte.
Gegen den Ex-Klub ist es schwierig
Tore gegen den einstigen Verein, für den man einst alles gegeben und neben Schweiß auch das Herz auf dem Rasen gelassen hat, kommen angesichts immer häufiger werdender Vereinswechsel gar nicht selten vor. Ein wenig als Sakrileg gelten sie trotzdem. Den 1. FC Union selbst hat es schon einige Male erwischt mit seinen Ehemaligen.

Nico Schlotterbeck hat für Dortmund so getroffen und Julian Ryerson im Dress des BVB gar zweimal, Marcus Ingvartsen mit Mainz im Stadion An der Alten Försterei und Sven Michel für Augsburg. Einerseits sehnt man als Ex derartige Momente herbei, andererseits ist die Gefahr groß, genau dann mit vollstem Karacho ins Fettnäpfchen zu latschen, dass es nur so trieft.
Nun gibt es bei den Köpenickern einen, der ist, was Häme angeht, größtenteils unverdächtig. Und doch ist es ihm gelungen, gegen seinen ehemaligen Verein zu treffen. Das auch noch auf überaus spektakuläre Weise. Mit dem letzten Schuss der Saison, mit dem er vor zehn Monaten seinem jetzigen Team mit dem Sieg den Klassenerhalt beschert hat: Janik Haberer und der Nachschuss, als Kevin Volland vom Punkt an Freiburg-Keeper Noah Atubolu wie am Pfosten gescheitert war. Mit Haberers 2:1 öffnete sich die Pforte ins Paradies.
Haberer wartet aufs erste Saisontor
Das Stadion stand kopf und der Mittelfeldspieler erst recht. Selbst wenn es ein Treffer war gegen den Verein, für den er einst sechs Jahre auflief. Übel genommen hat es ihm keiner dort, dass es ihn danach fast zerrissen hätte in seiner wilden Ekstase. Selbst Freiburgs scheidender Langzeit-Trainer Christian Streich, der seinem Nachfolger Julian Schuster gern den Sprung auf die europäische Bühne geschenkt hätte und dem Haberer mit seinem einzigen Treffer jener Saison die Tür dafür zuschlug, nahm das seinem ehemaligen Schützling nicht krumm.
Da Haberer nicht zu den Tore-Monstern gehört – in 231 Erstligaspielen kommt er auf 18 Treffer, davon sechs in 73 Partien für den 1. FC Union –, konnte er von einem derart märchenhaften Augenblick zwar insgeheim träumen, ernsthaft damit rechnen eher nicht. Gerade deshalb sind es Momente für die Ewigkeit.
Am Sonntag geht die Punktejagd für die Eisernen in Freiburg weiter. In der einstigen sportlichen Heimat ihres Mannes mit der Rückennummer 19. Könnte ja sein, dass etwas Ähnliches passiert wie vor zehn Monaten. Denn wie in der vorigen, ist Haberer auch in dieser Saison vor dem zweiten Spiel gegen seinen Ex-Verein noch ohne Tor … ■