Vincenzo Gualtieri holt IBF-Gürtel

Neuer deutscher Box-Weltmeister: „Rocky hat von der Wolke aus zugeguckt“

Der Mittelgewichtler kämpft für den Berliner Agon-Boxstall, der legendäre Graciano „Rocky“ Rocchigiani (†54) war sein Entdecker und Förderer.

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Mehr Jubel geht kaum: Vincenzo Gualtieri lässt als Weltmeister seinen Gefühlen freien Lauf.
Mehr Jubel geht kaum: Vincenzo Gualtieri lässt als Weltmeister seinen Gefühlen freien Lauf.Roberto Pfeil/dpa

116:110, 117:109, 116:110 gegen K.o.-Spezialist Esquiva Falcao (33, Brasilien) – Vincenzo Gualtieri (30) holte sich in seiner Heimatstadt Wuppertal sensationell den IBF-WM-Titel im Mittelgewicht. Gualtieri steigt für den Berliner Agon-Stall in den Ring, der legendäre Graciano „Rocky“ Rocchigiani (†54) war sein Entdecker und Förderer.

Zielstrebig hatte er zwölf Runden den favorisierten Brasilianer bearbeitet. Schnelle Beine, schnelle Konter, variable Schläge – Gualtieri spielte seine Stärken aus. Falcao wirkte ratlos, ging in Runde zwei und elf zu Boden. Der Sieg war nie umstritten, der Erfolg haute ihn dann fast um.

Vincenzo Gualtieri (r.) schenkt seinem Gegner Esquiva Falcao reichlich ein.
Vincenzo Gualtieri (r.) schenkt seinem Gegner Esquiva Falcao reichlich ein.Roberto Pfeil/dpa

IBF-Champion im Mittelgewicht, Nachfolger von Felix Sturm (44, Köln), der den Gürtel bis 2014 getragen hatte – im ersten Moment war das fast zu viel. Gualtieri: „Es ist unbeschreiblich. Ein Traum ist in Erfüllung gegangen. Da sind so viele Emotionen, die auf mich einprasseln. Ich kann nicht wirklich realisieren, was ich geleistet habe.“

Gualtieri nach dem Kampf: „Danke, Rocky“

Es war ein packender Fight mit hohem Tempo. Immer wieder prasselten Gualtieris Schläge auf den erstmals besiegten Südamerikaner ein, harte Treffer zeigten immer wieder ihre Wirkung. Allerdings musste auch Gualtieri, der nun in 22 Kämpfen unbesiegt ist (ein Unentschieden), einstecken; ein längerer Cut am rechten Augenlid war der Beweis.

Mutig sein, draufgehen, austeilen, auch einstecken können – alles Tugenden, die einst auch der Berliner Ex-Weltmeister Graciano Rocchigiani lebte. Rocky, der am 1. Oktober 2018 bei einem Verkehrsunfall in Piano Tavola auf Sizilien ums Leben, als er als Fußgänger auf der Staatsstraße 121 von einem Smart erfasst wurde, war auch sein Entdecker und Förderer.

Im Moment seines überbordenden Glücks hatte Gualtieri dann auch an seinen Mentor gedacht: „Rocky hat von einer Wolke aus zugeguckt, da bin ich mir ganz sicher. Er hat mir Stärke gegeben. Danke, Rocky.“

Vincenco Gualtieri mit Trainer „Rocky“ (r.) im März 2017 nach einem Boxkampf in Potsdam.
Vincenco Gualtieri mit Trainer „Rocky“ (r.) im März 2017 nach einem Boxkampf in Potsdam.Eibner/Imago

Den Triumph sah der Lehrmeister schon vor langer Zeit voraus. 2006 war Vincenzo als 13-Jähriger mit seinem Vater Luigi in Rockys Gym in Duisburg spaziert und boxte vor. Die Chemie stimmte sofort. „Du kannst eines Tages Weltmeister werden“, sagte ihm Rocchigiani dieser einmal. Vincenzo: „Es ist eine enge Freundschaft entstanden.“

Ralf Rocchigiani ist live am Ring dabei

Unter Rockys Führung bestritt Gualtieri 100 Kämpfe als Amateur, 2015 wurde er Profi. Zwei Jahre später ging „Graze“ dann das Geld aus, er musste das Gym schließen und Gualtieri wechselte zum Berliner Agon-Boxstall. Im Oktober 2018 folgte dann der Schock von Rockys viel zu frühem Tod. Gualtieri: „Das konnte ich nicht realisieren.“ Rocky war als Ratgeber nicht mehr da, aber er wachte von oben.

Ein anderer Rocchigiani war auch in Wuppertal, Rockys Bruder Ralf (60), einst Weltmeister im Cruisergewicht. Gualtieri: „Er hat mir noch mal mentale Stärke gegeben.“ Seine Kraft zieht der neue Champ aber vor allem aus seiner Familie. Die saß fast vollzählig im Publikum. „Meine Eltern sind hier, meine Brüder und meine Schwester sind hier. Besser konnte es nicht laufen“, sagte Gualtieri.

Das hat sich Rocky oben auf seiner Wolke auch gedacht, ganz sicher.

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