Von wegen Ersatz

Joker-Poker beim DFB: Fünf Asse für Julian Nagelsmann

Der Bundestrainer verfolgt auch mit fünf der 15 Einwechselspieler einen klaren Plan. Andere dürfen nur im Notfall ran.

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Thomas Müller lacht vor seiner Einwechslung. Was undestrainer Julian Nagelsmann ihm da wohl mit auf den Platz gegeen hat?
Thomas Müller lacht vor seiner Einwechslung. Was undestrainer Julian Nagelsmann ihm da wohl mit auf den Platz gegeen hat?MIS/Imago

Auf die Energie von der Bank kommt es bei der Heim-EM auch an. Julian Nagelsmann betont seit dem Beginn der Vorbereitung die große Bedeutung jener Nationalspieler, die zu Beginn der Spiele nur Ersatz sind, für den Turniererfolg. „Die Jungs erfüllen ihren Job“, sagt der Bundestrainer.

Beim 5:1-Knallstart gegen Schottland war das so. Sogar zwei Torschützen wechselte Nagelsmann ein. „Es herrscht eine sehr gute Energie in der Mannschaft. Wir wollen erfolgreich werden, egal ob wir auf dem Platz stehen oder nicht“, sagte der nachnominierte Dortmunder Emre Can zum Bankpersonal. Gegen Schottland ließ sich an der Reihenfolge der Wechsel auch das Ranking der Akteure hinter den ersten Elf ablesen. Mit fünf der übrigen 15 Spieler hat Nagelsmann einen Plan.

Pascal Groß rückt in die Startelf, wenn Andrich wieder Gelb sieht

Pascal Groß: Der schon 33 Jahre alte Turnier-Debütant war der Erste, den Nagelsmann reinwarf. Der Brighton-Profi kam zur Pause für den verwarnten Robert Andrich. Der Leverkusener ist im Mittelfeld der Mann fürs Grobe. Der 29-Jährige ging körperlich resolut zur Sache. Wenn Andrich gegen die Ungarn die zweite Gelbe Karte sehen sollte, wäre er im letzten Gruppenspiel gegen die Schweiz gesperrt. Und Groß wäre der logische Ersatz.

Niclas Füllkrug hat als Einwechsler eine Topquote

Niclas Füllkrug: Der Dortmunder ist Nagelsmann Angriffs-Joker Nummer eins. Der 31-Jährige traf nur fünf Minuten nach seiner Einwechslung für Kai Havertz, der auf der Neuner-Position erste Wahl ist. Füllkrug kann auf „viele gute Joker-Einsätze“ im Nationaltrikot verweisen. Und auf eine Topquote von zwölf Toren in 17 Länderspielen. Zudem sagt er: „Es war selten so, dass die Mannschaft, die das erste Turnierspiel bestreitet, auch das letzte bestreitet.“

Leroy Sané ist für die Startelf zu weit von der Top-Form weg

Leroy Sané: Ein gesunder Leroy Sané wäre immer ein Kandidat für die Startelf. Aber zur langwierigen Schambein-Problematik kam eine Drei-Spiele-Sperre, die den Bayern-Profi im EM-Jahr zusätzlich ausbremste. Der 28-Jährige kam gegen die Schotten in der 63. Minute für Wirtz. Spektakuläres glückte ihm nicht. Sané muss sich hinter dem im Auftaktspiel überzeugenden Offensiv-Quartett Wirtz, Musiala, Havertz, Gündogan weiter anstellen.

Thomas Müller hat als Team-Veteran andere Aufgaben

Thomas Müller: Bei seiner vierten EM muss sich der Turnier-Veteran mit kürzeren Einsatzzeiten anfreunden. „Die Rolle, die Thomas hat, ist klar“, sagt Nagelsmann. Der 34-jährige Münchner ist wichtig für das Mannschaftsklima. „Wir wollen Freude sehen bei diesem Riesen-Fußballfest“, sagte Müller. Er lebt das vor. Gegen die Schotten musste er bis zur 73. Minute auf sein 130. Länderspiel warten. Er kam für seinen herausragenden Bayern-Kollegen Jamal Musiala und hatte sofort ein paar gute Offensivaktionen.

Emre Can war von seiner Einwechslung selbst am meisten überrascht

Emre Can: Dass der für Bayern-Youngster Aleksandar Pavlovic nachnominierte Dortmunder gleich im ersten Turnierspiel zum Einsatz kam, überraschte ihn selbst. Schon die Einwechslung für Toni Kroos in der 80. Minute sei „krass“ gewesen. Dann traf der 30-Jährige auch noch in der Nachspielzeit zum Endstand. „Eine verrückte Story“, nannte das der Defensivakteur, der aus dem Urlaub heraus zur Mannschaft gestoßen war.

16 von 26 Akteuren im DFB-Kader kamen auf Anhieb zum Einsatz. Da Nagelsmann fünfmal wechseln kann pro Spiel, sind gerade für Offensivkräfte wie die Stuttgarter Chris Führich und Deniz Undav sowie Hoffenheims Maximilian Beier die Aussichten auf Joker-Minuten gut. In der Defensive wird von Trainern dagegen bei einem Turnier oft nur im Notfall gewechselt. Das gilt erst recht für die Torhüter-Position. Marc-André ter Stegen und Oliver Baumann müssen sich darauf einstellen, immer nur Manuel Neuer zuschauen zu dürfen.