Bei der Grimme-Verleihung am Freitagabend in Marl gab es erstmals in der Geschichte des Preises mehr Frauen als Männer bei den Preisträgern. Die Branche steht unter großem Druck, auch das Grimme-Institut hat Geldsorgen.
Siham El-Maimouni bekam den Preis für eine Spezial-Ausgabe der Sendung mit der Maus in Marokko, der Heimat von Maimounis Eltern. Sie selbst wurde in Duisburg geboren. Sarah Bosettis Show „Bosetti Late Night“, die Sendung mit dem „Bullshit-Knopf“ fürs Publikum, wurde von der Jury für die Dynamik geehrt, mit der die Moderatorin klassische Late-Night-Formate sprenge.
Neben Bosettis Show erhielt die Pilotfolge der Talkshow „Der letzte Drink mit Anna Dushime“ einen Grimme-Preis. Die schwarze Journalistin hatte darin Roberto Blanco an der Cocktail-Bar interviewt - mit Hartnäckigkeit und hervorragender Vorbereitung, wie ihr die Moderatorin bescheinigte. Auf die Frage, ob nach der Pilotsendung denn jetzt viele weitere folgen, konnte sie allerdings keine Antwort geben. „Es fehlt bei schwarzen Menschen nicht am Talent, sondern an Gelegenheiten“, sagte Dushime.
Disney+ gewann einen Grimme-Preis mit „Sam – Ein Sachse“
Zu den ausgezeichneten Sendungen zählt „Ukraine - Kriegstagebuch einer Kinderärztin“ (Arte). Der Film begleitet die Arbeit der Ärztin Vira Primakova auf der Intensivstation eines Kinderkrankenhauses in Lwiw. Als „überaus wertvollen Beitrag zur Me-Too-Debatte“ lobte die Jury den Film „Nichts, was uns passiert“ (WDR), der ebenfalls einen Grimme-Preis bekam. Darin geht es um den Vorwurf der Vergewaltigung nach einer Party.
Einen Schwerpunkt gegen Rassismus setzte die mit einem Grimme-Preis ausgezeichnete Produktion des Streaming-Anbieters Disney+ „Sam – Ein Sachse“ über einen afrodeutschen Polizisten in Sachsen. Die Serie basiert auf einem realen Fall. Hauptdarsteller Malick Bauer dankte von der Bühne dem realen früheren sächsischen Polizeibeamten Samuel Meffire für den „intensiven Austausch“ für die Serie. Mit der Geschichte habe Disney etwas geschafft, was bisher keine Fernsehredaktion zustande gebracht habe: „Die erste große afrodeutsche Serie, die schon so lange überfällig war“, lobten die Juroren.
Privatsender gingen dieses Jahr beim Grimme-Preis komplett leer aus
Für ihre besondere journalistische Leistung wurde die ARD-Korrespondentin in Istanbul, Katharina Willinger, geehrt. Sie habe hartnäckig etwa über das Leid nach dem Erdbeben in der Türkei berichtet, auch wenn die meisten Kameras schon weitergezogen seien, lobte die Jury. Willinger ist auch für den Iran zuständig. Es sei sehr schwer, dort zu arbeiten, weil Journalisten und ihre Informanten unter ständiger Beobachtung stünden, sagte sie im Interview.
Insgesamt verlieh das Grimme-Institut am Freitag 17 Preise mit Ausnahme von Disney + ausschließlich an öffentlich-rechtliche Sender. Die Privatsender gingen in diesem Jahr komplett leer aus. Die gesamte Branche steht finanziell unter Druck, auch das Grimme-Institut selbst hat Finanzprobleme. Ein sechsstelliges Finanzloch für das laufende Jahr konnte nur mit Gehaltsverzicht der Mitarbeiter geschlossen werden. Der zweite große Wettbewerb des Hauses, der Grimme Online Award für Qualitäts-Produktionen im Internet, droht wegen Geldmangels in diesem Jahr ganz auszufallen. ■