Ein KURIER-Kommentar

Thilo Mischkes „ttt“-Aus: DAS sagt die ARD zum Rausschmiss

Die ARD sägt Thilo Mischke als zukünftigen Moderator von „ttt – titel, thesen, temperamente“ wieder ab und veröffentlicht ein Statement, das unangemessener kaum hätte sein können.

Author - Julia Nothacker
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Thilo Mischke sollte eigentlich neuer Moderator bei der ARD werden.
Thilo Mischke sollte eigentlich neuer Moderator bei der ARD werden.D. Bedrosian/Future Image/Imago

Thilo Mischke (43) wird nicht der neue Moderator der ARD-Sendung „ttt – titel, thesen, temperamente“. Das verkündete der Sender vor wenigen Tagen mit einem Statement der ARD-Programmdirektion auf Instagram. Eine meiner Meinung nach konsequente Entscheidung. Doch eins hat die ARD in den vergangenen Tagen offenbar leider nicht: Das Problem verstanden.

Ein medialer Aufschrei um Thilo Mischke

Der Aufschrei war groß, als die ARD ihren neuen Moderator für das Kulturmagazin verkündete. Thilo Mischke wird vorgeworfen, sich in der Vergangenheit sexistisch, rassistisch und diskriminierend geäußert und sich noch nicht ausreichend von diesen Aussagen distanziert zu haben. Er sei deshalb nicht geeignet dafür, sensibel genug mit gesellschaftlichen Themen, die bei „ttt“ behandelt werden, umzugehen.

Na klar, heutzutage ist das Netz schnell dabei, wenn es um Kritik geht. Unter dem Post der Verkündung sammelten sich jede Menge entsetzter Kommentare. 100 Kulturschaffende wendeten sich im Rahmen einer Aktion des Tagesspiegels in einem offenen Brief an die zuständige Programmdirektion der ARD und erklärten, eine Zusammenarbeit mit Thilo Mischke abzulehnen. Und auch ich – Promi-Reporterin beim Berliner KURIER – bin nach dem, was ich über den Journalisten erfahren habe, fassungslos über die Entscheidung der ARD.

Der Instagram-Account von „ttt“ wandte sich während der Kritikwelle an seine Community und gab an, sich mit Themen wie Sexismus und toxischer Männlichkeit auseinanderzusetzen, die Vorwürfe zu prüfen und das Thema aufarbeiten zu wollen. Letztendlich wurde der Druck von außen zu stark, die ARD musste handeln – notgedrungen – und nimmt nun von Thilo Mischke als Moderator Abstand.

Aber ist das wirklich das Ergebnis einer Prüfung? Oder handelt es sich vielmehr um den Versuch, das ganze Thema schnell zu deckeln und den Shitstorm zu stoppen? Das Statement klingt nach einer beleidigten Resignation. Als hätte man sich ohne Einsicht seinem Schicksal, von Thilo Mischke als neuem Moderator abzusehen, ergeben. Die heftige Diskussion um Mischke „überschatte die zentralen und relevanten Themen“, über die „ttt“ zusammen mit der Community diskutieren wollte, heißt es im Statement. Dies sei nun nicht mehr möglich.

Was man hier rausliest, ist eine Art Schuldumkehr. Die Kritiker haben quasi dafür gesorgt, dass die Sendung von einer Diskussion überschattet wird.

Aktuell erfährt Thilo Mischke jede Menge Kritik.
Aktuell erfährt Thilo Mischke jede Menge Kritik.teutopress/Imago

Das peinliche Statement der ARD

Weiterhin heißt es in dem Statement: „Thilo Mischke und die ARD sind sich einig darin, dass es nun vor allem darum geht, einen weiteren Rufschaden von ttt und Thilo Mischke abzuwenden.“

Um das noch mal klarzustellen: Thilo Mischke wollte sich in seinem 2010 erschienenen Buch „In 80 Frauen um die Welt“ laut eigener Aussage „um den Globus vögeln, bis man Ruhe findet“ und nicht mehr länger „viel zu jungen Frauen auf den Arsch stiert“. Er hat Frauen als Sexobjekte abgewertet, indem er sie zum Beispiel mit einer Marke kennzeichnen wollte, um zu beweisen, dass er mit ihnen geschlafen hat. Er äußerte Gewaltfantasien gegenüber Frauen, will in einer Kolumne die äußerliche Attraktivität von Frauen auf einer Skala bewerten und bezeichnet in einem Podcast Vergewaltigung von Frauen als Natur des Mannes. (Wer mehr über die Inhalte des Buches erfahren möchte und sich für eine professionelle Einordnung interessiert, dem empfehle ich die neueste Podcast-Folge von „Feminist Shelf Control“ mit dem Titel Causa „TTThilo Mischke“.)

Die ARD scheint aber vorwiegend daran interessiert zu sein, einen Rufschaden durch die Kritiker abzuwenden, weil Thilo Mischke ja „ein anerkannter Journalist und mehrfach preisgekrönter Reporter“ sei, den die ARD sehr schätzt.

Nun befinde sich Thilo Mischke „in einem noch andauernden Prozess der Auseinandersetzung mit den Ereignissen“. Doch genau das ist ja das Problem: Bisher hat sich Mischke zumindest öffentlich noch nicht ausreichend selbstkritisch mit seinem Werk auseinandergesetzt.

Wie unangemessen und peinlich kann ein Statement von einem TV-Sender bitte sein? Viele, viele User sind wie ich zurecht darüber entsetzt, wie uneinsichtig sich ein öffentlich-rechtlicher Sender hier präsentiert. Es wirkt weder, als habe sich die ARD mit der Kritik der letzten Tage auseinandergesetzt, noch, als habe die ARD überhaupt verstanden, warum die Zuschauer Thilo Mischke nicht als neuen Moderator eines Kulturformats haben möchten. Das ist in meinen Augen schockierend und beschämend.

Deswegen habe ich fünf Fragen an die Programmdirektion der ARD geschickt und folgende Antworten erhalten:
  • Im Statement heißt es, die heftige Diskussion um Mischke „überschatte die zentralen und relevanten Themen“, die ttt zusammen mit der Community diskutieren wollte. Dies sei nun nicht mehr möglich. Findet die ARD, dass vor allem die heftige Kritik für das ttt-Aus von Thilo Mischke verantwortlich ist, nicht Herr Mischke oder die ARD selbst? Antwort der ARD: Wie Sie richtig zitieren, die Diskussion um die Personalie Thilo Mischke ist größer als die Aufmerksamkeit auf die Themen.
  • Weiterhin heißt es, es gehe nun vor allem darum, einen weiteren Rufschaden abzuwenden. Ist die ARD nicht der Meinung, es gehe nun eher darum, den Zuschauern das Gefühl zu vermitteln, dass man ihre Sorgen und Bedenken ernst nimmt? Antwort der ARD: Wir nehmen die Thematik ernst und werden ihn daher journalistisch aufarbeiten.
  • Sie schreiben außerdem, dass sich Thilo Mischke in einem Prozess der Auseinandersetzung befinde. Von diesem Prozess sieht und hört man leider sehr wenig. Ist dies wirklich der Fall? Antwort der ARD: Wir haben viele intensive Gespräche geführt, vor allem auch mit Thilo Mischke. Ja, er befindet sich in einem andauernden Aufarbeitungsprozess und wird sich zu gegebener Zeit selbst äußern.
  • Wie ist es zu dieser Situation gekommen? Hat sich die ARD zuvor nicht mit Thilo Mischkes Aussagen auseinandergesetzt oder wurde diesen einfach keine große Bedeutung für seine Rolle als ttt-Moderator geschenkt? Antwort der ARD: Die Erfahrungswerte, die wir in den letzten Wochen gesammelt haben, werden in künftige Auswahlprozesse einfließen. Mit der Dynamik der Diskussion in den letzten Wochen haben wir nicht gerechnet. Thilo Mischke ist ein anerkannter Journalist und mehrfach preisgekrönter Reporter, unter anderem mit der Reportage „Rechts. Deutsch. Radikal.“ Seine journalistische Kompetenz ist überzeugend und war ausschlaggebend für unsere ursprüngliche Entscheidung.
  • Wird die ARD zukünftig mit Thilo Mischke zusammenarbeiten? Antwort der ARD: Das werden wir gemeinsam mit Thilo Mischke klären. ■