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So ist der Münster-„Tatort“: Ein Fahrrad, ein Toter und ein großer Abschied

Ein tiefgefrorener Toter in einer Fahrrad-Werkstatt ruft Axel Prahl und Jan Josef Liefers auf den Plan.

Author - Stefan Doerr
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Professor Karl Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers, l.) und Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) sticheln jetzt weniger.
Professor Karl Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers, l.) und Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) sticheln jetzt weniger.Frank Dicks/WDR/Molina Film/ARD/dpa

In diesem „Tatort“ aus Münster ist ab der 68. Minute nichts mehr wie vorher. Die Folge „Die Erfindung des Rades“ hält eine ganze Reihe von Überraschungen bereit - kleine und große. Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) und Kriminalhauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) ermitteln im Umfeld des Fahrrad-Traditionsherstellers Hobrecht. Der Grund: Ein ungeliebtes Mitglied der Familie Hobrecht wird als tiefgefrorene Leiche in einer Kiste entdeckt.

Schwarzes Schaf der Familie eiskalt ermordet

Los geht es ungewöhnlich: Eine Schwarz-Weiß-Mordszene aus dem Jahr 1882 eröffnet den Fall. Und plötzlich tritt Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) nicht wie gewohnt im Luxuswagen, sondern auf dem Drahtesel auf. Das Duo Thiel-Boerne geht weniger bissig-zynisch miteinander um als sonst. Vor allem aber zeigt die normalerweise kettenrauchende, ruppige Staatsanwältin Wilhelmine Klemm völlig ungekannte Seiten – bevor sie dann furios abtritt.

Professor Boerne (Jan Josef Liefers, r.) und Silke Haller (ChrisTine Urspruch, l.) müssen Familiengeheimnissen auf den Grund gehen.
Professor Boerne (Jan Josef Liefers, r.) und Silke Haller (ChrisTine Urspruch, l.) müssen Familiengeheimnissen auf den Grund gehen.Frank Dicks/WDR

Der Krimi nimmt Fahrt auf, als Firmenchef Kurt Hobrecht (Hannes Hellmann) dem Publikum in seiner Manufaktur ein Sensationsrad präsentieren will: ein Fahrrad nach einer alten Zeichnung von 1882, die beweisen soll, dass Münster – und nicht England – die wahre Geburtsstadt des modernen Fahrrads ist. Doch statt der Revolution auf zwei Rädern steckt in der Kiste eine Kühltruhe – und darin die tiefgefrorene Leiche seines Bruders Albert. Der ungeliebte Geizhals hatte viele Feinde in der Familie. Plötzlich stehen alle unter Verdacht: ehrgeizig, verschroben, verschlagen – ein Clan, aus dem jede und jeder ein Motiv haben könnte.

Großer Abschied aus dem Münster-„Tatort“

Im 48. „Tatort“ aus Münster geht es nicht nur um Fahrradgeschichte und Innovation, sondern um Neid, Erbschaftsstreit und bittere Familienfehden: Bruder gegen Bruder, Geschwister, die auf ihr Erbe lauern – jeder hätte ein Motiv, den Erzfeind kaltzustellen. Und mittendrin: Wilhelmine Klemm, gespielt von Mechthild Großmann. Für die resolute Staatsanwältin ist es der letzte Fall – nach über zwei Jahrzehnten sagt sie Lebewohl. Die neue Folge markiert damit nicht nur ein Ende für die Hobrechts, sondern ein Ende einer Ära beim Münster-„Tatort“.

Krimi mit einem Hauch Wehmut

Und obwohl die Handlung alle Zutaten für einen packenden Krimi liefert – Spannung, Familie, Verrat, überraschende Wendungen – wirkt der Fall streckenweise eher wie eine nostalgische Fahrradtour durch Münster denn wie ein klassischer „Tatort“-Knüller: Die nicht mehr ganz so bissigen Sticheleien zwischen Boerne und Thiel, der sanftere Ton zwischen Ermittlern und Kollegen, der Abschiedsschmerz bei Klemm – das alles nimmt der Szenerie etwas der Härte. Aber vielleicht ist genau das der Charme: Ein Krimi mit Gefühl, Erinnerung und einem Hauch Wehmut.

Wer also erwartet, dass der „Tatort“ diesmal die düstersten Abgründe aufreißt, könnte enttäuscht sein – dieses Mal beeindruckt der Fall mit seiner Mischung aus Familientragödie, melancholischer Stimmung und der bittersüßen Erkenntnis: Manchmal endet nicht nur ein Mord, sondern eine Ära.