Die Affäre um mutmaßlichen Machtmissbrauch und Sex-Vorwürfe gegen die Band Rammstein erzeugt hohe Wellen auch bei Kollegen im Pop-Business. Viele Popmusiker ziehen es vor, zu schweigen. Böse Kommentare zu Kollegen, mit denen man möglicherweise gemeinsam auf Festivals gespielt hat oder auf deren Gästeliste man gestanden hat, gelten offenbar als Tabu. Doch einige Künstler haben sich in den vergangenen Tagen dennoch geäußert, und zwar auf offener Bühne.
Sido mit umstrittenen Gag zum Rammstein-Affäre: Macht sich der Rapper über Betroffene lustig?
Mit einem offenbar witzig gemeinten Satz hat der Berliner Rapper Sido in den sozialen Medien für kontroverse Kommentare gesorgt. Bei einem auf Video festgehaltenen Auftritt sagte Sido demnach wörtlich: „Ich such mir hier grad noch eine aus, die mir gleich unter der Bühne einen blasen muss.“
sido: "ich such mir hier grad noch eine aus die mir gleich unter der bühne einen blasen muss"
— felix (@felixievich) June 10, 2023
wenn man kritik üben will dann sollte man es ernsthaft tun oder einfach sein lassen aber mit solchen erzwungenen witzen macht man sich automatisch auch über die opfer lustig #rammstein pic.twitter.com/dVQB0VWDXX
Wie dieser Satz genau zu verstehen ist, bleibt offen. Er bezieht sich auf Aussagen von mutmaßlichen Betroffenen, die auf After-Show-Partys zu Sex mit Rammstein-Frontmann Till Lindemann gedrängt worden sein sollen. Entsprechende Aussagen zahlreicher Frauen bezeichnet eine von der Band beauftragte Anwaltskanzlei als „unwahr“ und drohte, dagegen juristisch vorzugehen. Zuvor hatte aber die Band selbst in einem Statement das Recht der Betroffenen auf ihre Sicht der Dinge betont.
Sido wird vorgeworfen, sich über die Opfer lustig zu machen. Der Kommentar sei „unpassend“, „ekelhaft“, er sei eine „Dumpfbacke“, wettern die einen. Andere finden den Sido-Satz witzig und sprechen von „schwarzem Humor“ als Ausdruck von Unbehagen, um „ernsthaftes Nachdenken“ hervorzurufen.
Reaktion auf Rammstein-Affäre: Die Ärzte scherzen über homöopathische K.-o.-Tropfen und pöbeln gegen LGBTIQ
Weitaus schwieriger ist wohl, wie die Punkrock-Band Die Ärzte mit dem Fall Rammstein umgehen: Ein verstörendes Video zeigt eine Szene aus einem Konzert der Band in Luxemburg, das auch langjährige Ärzte-Fans verstört.
Ich war ja immer Team #ToteHosen, die Ärzte, so dachte ich, wären aber auch ok. Well. Wrong! #dieärzte eher Team #wäh #Rammstein Grind! Pfui gack! https://t.co/FjjCeGVD6k
— Alice (@Alice62632356) June 10, 2023
Die Äußerungen der Band werden als Support nicht nur der Band Rammstein interpretiert, sondern auch eines Systems, das junge weibliche Fans selbst mittels K.-o.-Tropfen gefügig macht: „Meine K.-o.-Tropfen sind homöopathisch.“ Als wäre das nicht genug, gehen dem irritierenden Statement extrem giftige und altbackene Sätze gegen LGBTIQ voraus. Fans geben sich in sozialen Medien sprach- und fassungslos, auch über die Verächtlichmachung von Schwulen, Lesben, Trans- und Inter-Personen – überdurchschnittlich häufig Opfer von Hass-Gewalt.
Die Ärzte begannen ihre Karriere mit Ekel-Sex-Texten, nun pöbeln sie gegen Gewaltopfer?
In Vergessenheit ist allerdings geraten, dass Die Ärzte ihre Karriere mit unflätigen, hypersexualisierten Textzeilen begonnen hatten, die die Band auf den Index beförderten:
Claudia hat nen Schäferhund
Und den hat sie nicht ohne Grund
Abends springt er in ihr Bett
Und dann geht es rund




