Es war ein trauriger Sommer für Marketing-Strategen aus Hollywood. Noch letztes Jahr hat der zeitgleiche Kinostart von „Barbie“ und „Oppenheimer“ für einen riesigen Andrang in die Kinos und viel fröhliche Unterhaltung auch jenseits des Kinosaals gesorgt. Diesen Sommer versucht Hollywood verzweifelt, ein neues „Barbenheimer“ zu finden – und muss feststellen, dass, wenn man so ein Phänomen künstlich herstellen will, es nicht nur peinlich werden, sondern sogar so mancher Karriere an den Kragen gehen kann.
„Nur noch ein einziges Mal“ als neues „Barbie“ beworben
Die größte Pleite in der Hinsicht erleben wohl gerade die Filme „Nur noch ein einziges Mal“ und „Deadpool & Wolverine“. Die Hauptdarsteller der beiden Filme, respektive Blake Lively und Ryan Reynolds, sind verheiratet, und geben sich die größte Mühe, den Titel als „neues Barbenheimer“ in den gemeinsamen Haushalt zu holen.
„Packt eure Freunde ein, tragt eure Blumenkleider und kommt ins Kino!“ ruft Blake Lively freudestrahlend in die Kamera. Nebenbei bewirbt sie ihre neue Haarpflege-Marke und ihre Marke für alkoholische Getränke, die auf der Premierenfeier Cocktails mit Namen serviert, die spritzige Wortwitze auf den Film sind. Ryan Reynolds schleppt seinen Co-Star aus der Superhelden-Komödie „Deadpool & Wolverine“ zu jeder „Nur noch ein einziges Mal“-Veranstaltung. Gemeinsam reißen alle drei in Interviews Witze und betonen, dass man unbedingt beide Filme im Kino sehen sollte, am besten nacheinander.

Keine romantische Komödie: Böses Erwachen für Zuschauer von „Nur noch ein einziges Mal“
Wer diese Presseauftritte mitbekommen, Blake Lively beim Wort genommen hat und sich darum inspiriert fühlte, „Nur noch ein einziges Mal“ anzusehen, wurde herbe enttäuscht. Denn der Film ist keine romantische Komödie oder gar ein lustiger Wohlfühl-Film für Frauen – sondern ein Film über häusliche Gewalt (auch wenn die genaue Darstellung davon viel Kritik erntet). Und der Einzige, der diesen Film tatsächlich so bewirbt, ist Regisseur und Hauptdarsteller Justin Baldoni, der genau deswegen von Lively und Co. ausgeeist wird.
Die unsensible Vermarktung wäre noch vor 20 Jahren vielleicht niemandem so sehr aufgefallen. Aber dadurch, dass heutzutage jeder Zugriff auf alle Videos und Bilder der Pressetour und dazu noch über die sozialen Medien ein Sprachrohr hat, dauerte es überhaupt nicht lange, bis diese Kluft zwischen der fröhlichen Vermarktung und dem schwerwiegenden Thema das Films auffiel.
Kritik an Blake Lively und Ryan Reynolds
Der Versuch, hier ein neues „Barbenheimer“-Phänomen zu erschaffen, ist nicht nur im Handumdrehen nach hinten losgegangen – auf einmal werden auch Blake Lively und Ryan Reynolds als Personen schärfer unter die Lupe genommen. Die beiden galten lange als witziges, charmantes und nahbares Hollywood-Traumpaar. In nur wenigen Tagen hatten sie eine über Jahre aufgebaute Sympathie verspielt.
Denn natürlich kommt so etwas nicht aus dem Nichts. Viele erinnerten sich zum Beispiel noch daran, dass das Paar schon mal unter Beschuss stand, weil sie ihre Hochzeit auf einer ehemaligen Sklaven-Plantage abhielten und Blake Lively daraufhin in ihrem Online-Magazin eine Lobhymne auf die Sklavenhalter der Südstaaten schrieb. Wenn man charismatisch genug ist, kommt man auch in Zeiten des Internets mit so etwas durch. Aber Lively und Reynolds haben mit der Pressetour um „Nur noch ein einziges Mal“ den einen Fehler begangen, den das Internet niemals verzeiht: Nämlich es für dumm zu verkaufen.
Jana Hollstein schreibt immer dienstags für den KURIER über die große weite Welt des Internets. Mails an wirvonhier@berlinerverlag.com ■