Komiker Chris Tall (31) sorgt oft für Lacher – doch sein früherer Podcast „Brüderherz“ (bis Mai 2023 bei RTL+) zeigt, dass hinter den Kulissen auch ernste und schockierende Themen Platz haben (müssen). Gemeinsam mit seinem Adoptivbruder Martin teilt der Entertainer darin Einblicke in eine bewegende Familiengeschichte, die ans Herz geht. Martin offenbart, dass seine Kindheit von Misshandlungen, Lügen und einem System geprägt war, das viel zu lange versagt hat.
Bereits Martins Einstieg in die Welt war von Leid überschattet. „Ich bin in Düsseldorf geboren und wurde relativ früh vom Jugendamt aus meiner Familie genommen“, erzählt er. Damals war er erst drei Monate alt. Der Grund: Martins leibliche Familie galt als nicht in der Lage, ihre Kinder zu versorgen. Doch was als Chance auf ein besseres Leben gedacht war, entwickelte sich für Martin und viele andere Kinder zu einem wahren Albtraum.
Der Horror-Bauernhof der Pflegefamilie
Das Jugendamt vermittelte den kleinen Martin in eine Pflegefamilie, die ihm ein besseres Leben bieten sollte. Doch der Schein trog. Statt Fürsorge erlebte er auf einem abgelegenen Bauernhof systematische Misshandlung. „Die Pflegefamilie hat ihren Auftrag nicht ernst genommen“, berichtet Martin im Podcast. Mehr noch: Die Familie nahm rund zehn Kinder auf, offenbar aus rein finanziellen Motiven. „Sie haben uns misshandelt – systematisch.“
Für den kleinen Jungen war das lange Zeit die Normalität. „Als Kind denkst du, das ist richtig. Du hinterfragst es nicht“, sagt Martin. Die Pflegeeltern inszenierten sich bei Besuchen des Jugendamts als perfekte Familie, bei der gegrillt und gelacht wurde. Die Kinder, die nicht ins Bild passten, wurden vorher weggeschickt. „Ich hab eingetrichtert bekommen, wie ich mich verhalten soll. Für mich war das normal.“ Immerhin bedeutete das ein paar Stunden ohne Gewalt.
Zehn Jahre in der Hölle
Erst ein Gerichtsverfahren, das den Pflegevater wegen eines früheren Pflegekindes ins Visier nahm, brachte die Wahrheit ans Licht. Nach einem Jahrzehnt der Gewalt wurde die Horror-Pflegefamilie aufgedeckt, und Martin sowie die anderen Kinder wurden gerettet. Doch auch dieser Moment war geprägt von Chaos: „Wir wurden abgeholt, aber der Wagen war zu klein, weil sie mit drei bis vier Kindern gerechnet hatten. Wir waren aber zu zehnt.“
Späte Konfrontationen mit der Vergangenheit
Auch Jahre später ließ die Vergangenheit Martin nicht los. Als Teenager traf er seine ehemalige Pflegemutter noch einmal – ein verstörendes Erlebnis. Bei einem Burger-Essen versuchte sie, die Ereignisse der Vergangenheit schönzureden. Zwei Wochen später starb sie plötzlich. Ein ähnliches Schicksal ereilte den Pflegevater, den Martin Jahre später besuchte, um alte Fotos zu retten. „Auch er hat beim letzten Treffen versucht, Einfluss auf mich zu nehmen. Wenige Monate später war er tot.“
Dank Therapie wieder klar im Leben
Heute spricht Martin offen über seine traumatische Kindheit – ein langer Weg, den er vor allem dank therapeutischer Hilfe bewältigen konnte. „Ich bin sehr aufgeräumt und klar. Aber es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass es nichts mit mir macht“, gibt er zu.
Chris Tall, der seinen Bruder in dieser Folge des Podcasts mit viel Empathie begleitet, ist sichtlich stolz auf Martin und dessen Mut, diese Geschichte zu teilen. „Es war nicht leicht für dich“, betont der Komiker. Doch Martins Offenheit gibt nicht nur Einblicke in die dunklen Seiten des Pflegewesens, sondern macht auch anderen Betroffenen Mut: Selbst die schlimmsten Erlebnisse lassen sich verarbeiten – mit der richtigen Unterstützung und einer großen Portion Stärke. ■