Der klare KURIER-Kommentar

Zum Tag der Befreiung konkret werden!

Der Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus hat in den letzten 79 Jahren eine unschöne Karriere hingelegt und wird nicht selten instrumentalisiert.

Author - Jana Hollstein
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Das Sowjetische Ehrenmal im Tiergarten am 8. Mai.
Das Sowjetische Ehrenmal im Tiergarten am 8. Mai.Eibner/imago

Der Begriff „Tag der Befreiung“ für den 8. Mai ist vor allem unter Historikern umstritten: Auch wenn Menschen in Konzentrationslagern tatsächlich befreit wurden, impliziert der Pauschalbegriff ein bisschen, dass alle Deutschen einfach nur unschuldige Opfer von Hitlers Regime waren, was die Mittäterschaft vieler Deutscher herunterspielt.

Nichtsdestotrotz ist natürlich das Gefühl dahinter echt: Wir alle (oder zumindest die demokratische Mehrheit) sind erleichtert, dass wir heute nicht unterm Nationalsozialismus leben. Es ist also symbolisch wahr, auch wenn es nicht „wirklich“ wahr ist.

Der Tag der Befreiung an sich ist ein Symbol: ein Symbol des Sieges für die Russen, ein Symbol der Niederlage für Nazis, im nächsten Jahr zum 80. Jahrestag auch einmalig das Symbol für einen freien Tag für Berliner (mir graut es schon vor den geschmacklosen Witzen über den „Tag der Befreiung von der Arbeit“). Ein vielleicht etwas komplizierteres Symbol für die Ukrainer in Zeiten in Zeiten des Krieges der Ukraine.

Mit fast 80 Jahren Abstand ist es einfach, den 8. Und 9. Mai sehr abstrakt zu sehen. Nuance ist häufig der Feind von demjenigen, der fahneschwenkend herumläuft und einfache Parolen ruft. Vielleicht ist es die Geschichtsstudentin in mir, die Probleme hat, einen so komplexen Tag auf etwas Simples zu reduzieren.

Aber wenn ein Ereignis wie dieses heruntergebrochen wird auf etwas so Einfaches wie eine „Befreiung vom Bösen“, dann kann das auch sehr leicht von etwa politischen Randgruppen instrumentalisiert werden. Und natürlich kommt man sich mit denjenigen in die Quere, für die das Ereignis etwas ganz anderes symbolisiert. Die Parole und der Wunsch „Nie wieder“ kann nur wahr werden, wenn wir genau wissen, WAS denn nie wieder passieren soll. Wer von der Vergangenheit lernen will, der muss konkret werden.