Der slowakische Regierungschef Robert Fico (59) ist nach einer Kabinettssitzung in der Stadt Handlova angeschossen und dabei lebensgefährlich verletzt worden. Er sei mit schweren Verletzungen in ein Krankenhaus gebracht worden, berichtete die slowakische Nachrichtenagentur TASR unter Berufung auf Lubos Blaha, den Vizechef von Ficos Partei.
Nach Einschätzung der slowakischen Regierung hatte der Schütze ein „politisches Motiv“. Das sagte Innenminister Matus Sutaj Estok am Mittwochabend vor Journalisten in der Klinik von Banska Bystrica, wo Fico operiert wurde. Der Zustand des 59-Jährigen sei weiterhin lebensbedrohlich, hieß es am Mittwochabend.
In einem Video ist zu sehen, wie der getroffene Fico, der offenbar nicht mehr laufen kann, von seinen Leibwächtern gestützt und in seinen Wagen gebracht wird. Auch zeigen Bilder auf X, wie der mutmaßliche Schütze von Polizisten auf den Boden gedrückt wird.
Slovakya Başbakanı Robert Fico'nun göğsünden ve karnından vurulduğu anlar. pic.twitter.com/Ib5nrsWfDS
— Boşuna Tıklama (@bosunatiklama) May 15, 2024
„Ich habe drei oder vier Schüsse gehört“, sagte ein Reporter am Tatort
Berichten zufolge wurde der Premierminister bei dem Angriff in die Brust getroffen. Der mutmaßliche Täter wurde von der Polizei am Tatort festgenommen. Er soll dem Ministerpräsidenten „Robo komm her“ zugerufen haben, woraufhin er zu schießen begann.
Augenzeugen berichteten im Fernsehen, vor dem Kulturhaus in Handlova seien fünf Schüsse gefallen, als Fico ins Freie ging, um die Hände seiner Anhänger zu schütteln. Ein Schuss habe Fico in die Brust getroffen. Das Lokalfernsehen RTV Prievidza veröffentlichte ein Video vom Tathergang: Zu sehen ist, wie sich ein Mann an den Zaun drängt und aus unmittelbarer Nähe auf den Ministerpräsidenten schießt.
Mehrere Augenzeugen berichten von dramatischen Szenen: „Kurz bevor ich ihm die Hand geben wollte, habe ich vier Schüsse gehört. Robert fiel auf den Boden“, sagte ein Mann am Mittwoch dem öffentlich-rechtlichen Sender RTVS. Er stehe unter Schock. „Das ist etwas Schreckliches, das waren Schüsse von hinten“, fügte er hinzu. Über den Schützen sagte eine Frau dem Sender: „Der Mann stand dort von Anfang an. Er hat nur noch gewartet.“
Der Rettungsdienst teilte TASR mit, ein Hubschrauber mit einem Notarzt sei nach dem Vorfall zum Tatort geschickt worden. Der Rettungshubschrauber brachte Fico dann in ein Krankenhaus in Banska Bystrica, wo er nach Medienberichten operiert werden sollte. Das Krankenhaus in der Regionalhauptstadt Banska Bystrica verhängte eine Informationssperre.
Nach Informationen des TV-Senders TA3 soll es sich bei dem Täter um Juraj C., einen ehemaligen Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes handeln. Offiziell bestätigt wurde dies aber noch nicht. Trotz eines Informationsembargos gelangte der Sender an eine Videoaufnahme aus einer Polizeistation. Darin sagte der benommen wirkende mutmaßliche Attentäter: „Ich stimme der Regierungspolitik nicht zu.“ Als konkretes Beispiel nannte er die von der Regierung geplante Auflösung des öffentlich-rechtlichen Radios und Fernsehens RTVS, gegen das seit Wochen Tausende Menschen demonstrieren.

Fico warnte vor wenigen Tagen vor einem „Klima der Feindschaft“
Robert Fico ist ein links-populistischer Politiker und Vorsitzender der von ihm gegründeten Partei Smer-SSD. Seit 2023 ist der links-nationale Fico Ministerpräsident der Slowakei; ein Amt, das er bereits von 2006 bis 2010 und von 2012 bis 2018 innehatte. Während Ficos ersten Regierungszeit trat die Slowakei dem Schengen-Abkommen und der Eurozone bei. Der Chef der zuletzt immer nationalistischer gewordenen Partei Smer-SSD ist seit fast 30 Jahren einer der beliebtesten Politiker der Slowakei. Er polarisiert aber zugleich die Gesellschaft wie kaum ein anderer. Gegner nennen ihn „prorussisch“ und werfen ihm vor, die Slowakei auf einen ähnlichen Kurs wie Viktor Orbáns Ungarn führen zu wollen.
Fico hatte vor wenigen Tagen der liberalen Opposition in der Slowakei vorgeworfen, ein „Klima der Feindschaft“ gegen die Regierung zu schaffen. Es sei nicht auszuschließen, dass es in einem solchen Klima irgendwann zu einer Gewalttat komme, warnte Fico.
„Abscheulich“: Ursula von der Leyen verurteilt Attentat auf Fico
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat den Angriff auf den slowakischen Regierungschef Robert Fico als „abscheulich“ verurteilt. „Solche Gewalttaten haben in unserer Gesellschaft keinen Platz und untergraben die Demokratie, unser höchstes gemeinsames Gut“, schrieb sie am Mittwoch auf der Plattform X. Ihre Gedanken seien bei Fico und seiner Familie. EU-Ratspräsident Charles Michel zeigte sich ebenfalls schockiert über das Attentat. Gewalt und derartige Angriffe würden sich durch nichts rechtfertigen lassen, schrieb er auf X. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg schrieb auf X: „Ich wünsche ihm Kraft für eine schnelle Genesung“. Seine Gedanken seien bei Fico, seinen Angehörigen und dem slowakischen Volk.

Bundeskanzler Olaf Scholz verurteilt „feiges Attentat“ auf Fico
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Schüsse auf den slowakischen Regierungschef Robert Fico scharf verurteilt. „Die Nachricht vom feigen Attentat auf den slowakischen Ministerpräsidenten Fico erschüttert mich sehr“, schrieb er am Mittwoch auf der Online-Plattform X. „Gewalt darf keinen Platz haben in der europäischen Politik. In diesen Stunden sind meine Gedanken bei Robert Fico, den Angehörigen und den Bürgerinnen und Bürgern der Slowakei.“
Österreichs Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) ist entsetzt über das Attentat auf seinen slowakischen Amtskollegen Robert Fico. „Der Anschlag auf das Leben meines slowakischen Kollegen Robert Fico schockiert mich zutiefst. Erst vor wenigen Tagen haben wir telefoniert und intensiv über Sicherheitsthemen gesprochen“, schrieb Nehammer auf der Plattform X. Er wünsche Fico rasche und vollständige Genesung. „Hass und Gewalt dürfen in unseren Demokratien nicht Platz greifen und müssen mit aller Entschlossenheit bekämpft werden!“, so Nehammer.

Auch der US-Präsident Joe Biden reagierte am Abend auf Fico-Attentat. Biden verurteilte die Schüsse als „schreckliche Gewalttat“. Er und seine Frau Jill beteten für Ficos rasche Genesung, schrieb Biden in einer vom Weißen Haus am Mittwoch veröffentlichten Mitteilung. „Unsere Gedanken sind bei seiner Familie und dem slowakischen Volk“, hieß es weiter. Die US-Botschaft stehe in engem Kontakt mit der slowakischen Regierung und sei bereit, zu helfen.
Auch Putin entsetzt von Attentat auf Fico
Kremlchef Wladimir Putin hat mit Entsetzen auf das Attentat auf Fico reagiert. „Dieses abscheuliche Verbrechen ist durch nichts zu rechtfertigen“, heißt es in einem am Mittwoch in Moskau auf der Kreml-Seite veröffentlichten Telegramm Putins an die slowakische Präsidentin Zuzana Caputova. Russlands Beziehungen zur Slowakei gelten im EU-Vergleich als vergleichsweise gut. „Ich kenne Robert Fico als einen mutigen und willensstarken Menschen. Ich hoffe sehr, dass diese Eigenschaften ihm helfen werden, diese schwierige Situation zu überstehen. Bitte übermitteln Sie ihm meine aufrichtigen Worte der Unterstützung und meine Wünsche für eine rasche und vollständige Genesung“, schrieb Putin.
Schock-Reaktionen aus Polen, Ungarn und Tschechien
Ungarns Regierungschef Viktor Orbán hat sich schockiert über den Angriff auf seinen slowakischen Kollegen Robert Fico gezeigt. „Tief erschüttert erfuhr ich vom schrecklichen Angriff auf meinen Freund Robert Fico“, schrieb Orbán am Mittwoch auf seiner Facebook-Seite. „Wir beten für seine möglichst baldige Genesung“. Polens Regierungschef Donald Tusk schrieb auf der Plattform X: „Robert, meine Gedanken sind in diesem sehr schwierigen Moment bei dir“.
Auch Spitzenpolitiker im Nachbarland Tschechien haben sich bestürzt über den Anschlag auf den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico gezeigt. Regierungschef Petr Fiala sprach von einer schockierenden Nachricht. „Wir dürfen Gewalt nicht tolerieren, sie darf in der Gesellschaft keinen Platz haben“, schrieb der liberalkonservative Politiker am Mittwoch bei der Plattform X. Der tschechische Präsident Petr Pavel erklärte, der Angriff sei eine Warnung, wohin die Vertiefung von Hass und Aggressivität in der Gesellschaft führen könnten.
Tschechiens Innenminister Vit Rakusan verurteilte den Angriff: „Gewalt gehört nicht in die Politik. Gewalt gehört eigentlich nirgendwohin.“ Der ehemalige tschechische Ministerpräsident und gebürtige Slowake Andrej Babis schrieb in den sozialen Medien: „Ich bete für Robert Fico – ich wünsche ihm, allen seinen Nächsten und der ganzen Slowakei viel Kraft.“■