Jean-Marie Le Pen, eine der umstrittensten und polarisierendsten Figuren der französischen Politik, ist im Alter von 96 Jahren gestorben. Wie die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf die Familie berichtete, verstarb der Gründer der rechtsextremen Partei Front National (heute Rassemblement National). Auch Jordan Bardella, der aktuelle Vorsitzende der inzwischen umbenannten Partei, bestätigte den Tod Le Pens auf der Plattform X (ehemals Twitter).
Vom Außenseiter zur politischen Kraft
Le Pen gründete 1972 gemeinsam mit anderen die Partei Front National (FN), die er fast vier Jahrzehnte lang führte. Unter seiner Führung entwickelte sich die Partei von einer politischen Randgruppe zu einer gewichtigen Kraft am rechten Rand des französischen Parteienspektrums. Mit populistischen und häufig stark polarisierenden Aussagen schürte er Ressentiments gegen Migranten und etablierte sich als Sprachrohr der extremen Rechten.
Ein Wendepunkt in Le Pens politischer Laufbahn war die Präsidentschaftswahl 2002, als er überraschend den zweiten Platz belegte und in die Stichwahl gegen den amtierenden Präsidenten Jacques Chirac einzog. Der Einzug in die Endrunde löste in Frankreich einen Schock aus, der als „Schock des 21. April“ in die Geschichte einging. Le Pen unterlag Chirac letztlich deutlich, doch seine Kandidatur markierte einen Höhepunkt der FN unter seiner Führung.

Verurteilt und umstritten bis zuletzt
Le Pens politische Karriere war von Skandalen und wiederholten Verurteilungen überschattet. Mehrfach wurde er wegen Verharmlosung von Nazi-Verbrechen und Anstachelung zum Hass vor Gericht gestellt. Besonders viel Kritik zog er auf sich, als er die Gaskammern der Nationalsozialisten als ein „Detail der Geschichte“ bezeichnete. Diese Äußerungen führten 2015 schließlich zu seinem Ausschluss aus der eigenen Partei, die mittlerweile von seiner Tochter Marine Le Pen geführt wurde.
Auch in seinem Privatleben gab es immer wieder Schlagzeilen. Le Pen warf seiner Tochter nach seinem Ausschluss „Verrat“ vor und lieferte sich bis zu seinem Lebensende eine erbitterte Fehde mit ihr. Die politische und persönliche Spaltung zwischen Vater und Tochter wurde zum Sinnbild für den Wandel der Partei. Während Jean-Marie Le Pen für Provokationen und extreme Positionen stand, setzte Marine Le Pen auf eine strategische „Entteufelung“ der Partei und schärfte ihr Profil mit einem gemäßigteren Auftreten.

Marine Le Pen und die Erneuerung der FN
Unter der Führung von Marine Le Pen wurde die FN 2018 in Rassemblement National (RN) umbenannt. Die Rechtspopulistin erreichte mit ihrer Strategie Wahlerfolge, von denen ihr Vater nur träumen konnte. Bei der Präsidentschaftswahl 2022 erzielte sie in der Stichwahl gegen Emmanuel Macron über 40 Prozent der Stimmen und baute die Sitze ihrer Partei im französischen Parlament deutlich aus.
Die Distanzierung von ihrem Vater war nicht nur taktischer Natur, sondern auch eine Reaktion auf dessen wiederholte kontroverse Äußerungen. 2015 entzog Marine Le Pen ihrem Vater schließlich auch den Titel des Ehrenvorsitzenden der Partei, ein Verlust, gegen den er juristisch vorging – mit gemischtem Erfolg.
Ein polarisierendes Erbe
Jean-Marie Le Pen wurde 1928 als Sohn eines Fischers und einer Näherin in der Bretagne geboren. Nach einem Jura-Studium und dem Dienst in der Fremdenlegion, wo ihm später Folter von Gefangenen während des Algerienkriegs vorgeworfen wurde, startete er seine politische Karriere. Auch Jahrzehnte später bleibt sein Vermächtnis in Frankreich kontrovers. Für die einen gilt er als Wegbereiter einer nationalistischen Bewegung, für die anderen als Symbol für Intoleranz und Hass.
Mit seinem Tod geht eine Ära zu Ende, die Frankreichs politische Landschaft nachhaltig geprägt hat – und immer wieder für scharfe Debatten sorgte. Während die Rassemblement National unter Marine Le Pen heute auf ein gemäßigtes Image setzt, bleibt der Schatten ihres Vaters unübersehbar. ■