Tragischer Fall

Teenager stirbt nach Vollnarkose beim Zahnarzt – Urteil gefallen!

Ein Teenager mit Zahnarzt-Angst stirbt während einer Behandlung unter Vollnarkose. Das Gericht verurteilt den Narkosearzt, spricht die Zahnärztin frei.

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Die Angeklagte (3.v.r) und der Angeklagte (3.v.l) im Sitzungssaal im Strafjustizgebäude zu Beginn des Prozesses in Hamburg.
Die Angeklagte (3.v.r) und der Angeklagte (3.v.l) im Sitzungssaal im Strafjustizgebäude zu Beginn des Prozesses in Hamburg.Marcus Brandt/dpa

Es ist ein besonders tragischer Fall: Ein Teenager mit kaputten Zähnen hat furchtbare Schmerzen, doch er hat panische Angst und will er seit Jahren nicht zum Zahnarzt. Schließlich sieht die Familie nur noch einen Ausweg: Eine Behandlung unter Vollnarkose in einer Zahnarztpraxis in Hamburg-Altona. Doch bei der achtstündigen Operation kommt zu Komplikationen, der 18-jährige Patient stirbt.

Acht Jahre später müssen sich vor dem Landgericht Hamburg zwei Ärzte verantworten. Jetzt haben die Richter ein Urteil gefällt: Der Narkosearzt ist zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt worden. Die mitangeklagte Zahnärztin wurde freigesprochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

„Der Fall macht einen sehr betroffen“, sagte der Vorsitzende Richter Matthias Steinmann. Der junge Patient habe ständig starke Schmerzmittel eingenommen. Nur mit Mühe habe seine Mutter ihn überreden können, die Praxis der angeklagten Zahnärztin aufzusuchen. Diese durfte nur ein Röntgenbild machen, eine nähere Untersuchung ließ der junge Mann nicht zu. „Er hatte eine Zahnarzt-Phobie“, erklärte Steinmann.

Vorschläge der Zahnärztin für alternative Methoden wie eine Behandlung unter Hypnose lehnte der Patient ab. Schließlich wurde ein Termin für eine Vollnarkose angesetzt, die mehr als acht Stunden dauern sollte. „Er wollte nur einschlafen, aufwachen und alles ist in Ordnung“, so der Richter. Doch bei dem stundenlangen Eingriff kam es zu einem Herz-Kreislauf-Versagen. Kurz darauf starb der Patient in einem Krankenhaus.

Ein Sachverständiger erklärt: „Man kann das machen, aber man muss aufmerksam sein.“

Die Zahnärztin und der von ihr hinzugezogene Narkosearzt hätten dem 18-Jährigen helfen wollen, betonte Steinmann. Ein Sachverständiger vor Gericht habe angesichts der Länge der Narkose bei dem gesunden, jungen Mann gesagt: „Man kann das machen, aber man muss aufmerksam sein.“

Doch nach Überzeugung des Gerichts hatte der heute 67 Jahre alte Anästhesist nicht alle notwendigen Geräte, wie etwa EKG-Monitoring, für eine solch lange Behandlung dabei. „Er fühlt sich diesen Hilfsmitteln überlegen“, sagte Steinmann. Der Mediziner habe gedacht, er brauche diese aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung nicht. Das Gericht glaubte ihm nicht, dass er diese Standard-Vorschriften nicht gekannt habe.

Die Richter kritisierten zudem, dass der Arzt angesichts der Länge der Behandlung kein geschultes Assistenzpersonal mitgebracht hatte. Der Angeklagte habe den Patienten und seine Mutter nicht darüber aufgeklärt, dass seine Ausstattung vom Standard abweiche, betonte Steinmann. Die beiden hätten sonst sicherlich nicht eingewilligt. Die Zahnärztin dagegen treffe keine Schuld. Die 46-Jährige habe darauf vertrauen dürfen, dass der ihr als erfahrener Kollege bekannte Narkosearzt die richtige Ausstattung mitbringe.

Zum Prozessauftakt hatten die Ärzte den Tod des jungen Patienten bedauert

Der junge Patient war bereits Vater einer damals zweijährigen Tochter, die wie die Mutter des 18-Jährigen in dem Prozess Nebenklägerin war. Das Gericht bewertete positiv für den Angeklagten, dass er sich zu einer „großzügigen Entschädigungszahlung“ an das Kind verpflichtet habe. Steinmann verteidigte in der Urteilsbegründung, dass das Ermittlungsverfahren so lange gedauert hatte. Es sei ein hochkomplexer Sachverhalt. Die Bearbeitung sei nur mit einer Vielzahl von medizinischen Gutachten möglich gewesen.

Zum Prozessauftakt am 4. April hatten die Ärzte den Tod des Patienten bedauert. Der Anästhesist hatte Fehler eingeräumt. Die Zahnärztin meinte, ihre Sorgfaltspflicht erfüllt zu haben. Ihre Verteidigung plädierte daher auf Freispruch. Die Anklage dagegen war überzeugt, die Zahnärztin habe sich der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht und forderte eine Geldstrafe.

Die Staatsanwaltschaft hatte für den Anästhesisten wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge eine Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung gefordert. Die Verteidigung des Narkosearztes beantragte, ihren Mandanten wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe zu verurteilen.

Der Vorsitzende Richter wandte sich in seiner Urteilsbegründung auch an die Mutter des Toten. Ihre Aussage sei beeindruckend und uneingeschränkt glaubwürdig gewesen. „Sie sind nicht zerbrochen“, sagte Steinmann. „Sie haben dieses Schicksal angenommen und sich entschlossen, weiterzuleben.“ Diese Fähigkeit habe nicht jeder, so der Richter.■