Sie brauchte über sieben Jahrzehnte, um aus dem Schatten ihrer berühmten Eltern, der schwedischen Hollywood-Legende Ingrid Bergman und dem italienischen Star-Regisseur Roberto Rossellini, zu treten. Mit ihrer Oscar-Nominierung als beste Nebendarstellerin im Edward Berger-Film „Konklave“ schreibt Isabella Rossellini endlich ihre eigene „Academy Award“-Geschichte.
Die Schauspielerin hatte sofort „Ja“ gesagt, als man ihr den Part als Nonnenschwester Agnes anbot. Rossellini outet sich als Fan des in Deutschland geborenen Regisseurs: „Ich habe Edward Bergers ‚Im Westen nichts Neues‘ gesehen und war begeistert. Wie er nur durch visuelle Hilfen Szenen aufbaut und ohne Worte seine Botschaft rüberbringt, ist herausragend.“ Als sie dann noch erfuhr, dass Stanley Tucci für eine der Hauptrollen zugesagt hatte, gab es für sie kein Halten mehr: „Er ist einer meiner besten Freunde und mit ihm zusammen vor der Kamera stehen zu können, war einfach ein Vergnügen!“
Mit der Papstwahl und der katholischen Kirche kennt sich Rossellini von Haus aus gut aus: „Ich bin ja in Rom aufgewachsen und kenne die katholische Kirche deshalb sehr gut. Meine Oma war sehr religiös.“ Sie erinnert sich, dass Papst Johannes XXIII ein wichtiger Bestandteil ihrer Kindheit war. Die kleine Isabella sah ihn „wie einen Großvater“ an. Bis zur siebten Klasse ging sie zudem auf eine katholische Schule, die von Nonnen geführt wurde. Das perfekte Rollenstudium: „Die Schwestern haben ohne Worte und nur durch ihre Präsenz eine große Autorität ausgestrahlt. Ich habe meine Rolle nach ihnen gemodelt.“

Isabella Rossellini: Wir Kinder galten in Italien als unehelich
Auch lieferten Ordensschwestern den perfekten Paparazzi-Schutz für Ingrid Bergmann, wenn sie auswärts essen ging, wie Rossellini mit einem Lächeln erklärte: „Wir sind mit Mama immer zu einem Restaurant gegangen, das von Nonnen geführt wurde. Dort konnte sie ihrer Privatsphäre sicher sein.“ Denn kein Fotograf wagte sich an den rigorosen Gottesdienerinnen vorbei für einen heimlichen Schnappschuss. Laut Rossellini gibt es das Restaurant bis heute: „Ich habe Stanley Tucci dorthin mitgenommen und er war begeistert!“
Rossellini hat nicht nur positive Erinnerungen an die katholische Kirche. Als sie 1952 geboren wurde, waren die Kirche und die Institutionen des Staates in Italien noch nicht getrennt: „Meine Eltern waren beide schon einmal geschieden – in einem Land, in dem es Scheidung nicht gab. Wir Kinder galten in Italien als unehelich. Doch Mama und Papa hat es nicht gestört, gegen Liebe kann auch die Kirche nichts machen.“
Grundsätzlich ist Rossellini froh, als Frau in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert geboren worden zu sein: „Ich darf wählen, mein eigenes Anwesen und mein eigenes Bankkonto besitzen sowie über meine eigene Karriere entscheiden.“ Für sie hat sich die Rolle der Frau in der Gesellschaft auf jeden Fall positiv verändert – „wobei es natürlich immer wieder Rückschläge gibt“. Sie ist insbesondere über die weltweite Beschneidung von Verhütung- und Abtreibungsrechten in den letzten Jahren erschüttert: „Es ist ein wichtiges Recht für Frauen, entscheiden zu können, wann sie für Kinder bereit sind.“

Rossellini besitzt neben der italienischen auch die amerikanische Staatsbürgerschaft und lebt in Brookhaven (Bundesstaat New York), wo sie mit ihrem Sohn eine Farm mit dazugehöriger Pension namens „Mama Farm“ führt. Der größte Unterschied zwischen beiden Ländern: „Du kannst in Italien mittlerweile auch offen Zweifel oder Kritik an Kirchendoktrin äußern, ohne dass du gleich als dumm wie von der amerikanischen katholischen Kirche abgekanzelt wirst.“
Ob sie das Zeug zur Nonne hätte? Auf diese Frage muss sie lachen: „Ich war zwei Mal verheiratet, bin zweifach geschieden und habe zwei Kinder – der Zug ist abgefahren. Man muss dafür eh berufen sein.“ So wie es ihre Mutter für die Schauspielerei war. Bergman hatte einst zu ihrer Tochter gesagt: „Ich habe das Schauspiel nicht als Beruf gewählt, es hat mich ausgewählt!“ Da die junge Isabella als Mädchen oft mit ihren Eltern am Set war, ebnete das ihren weiteren Lebensweg schon früh: „Ich wusste einfach, dass ich in ihre Fußstapfen treten werde. Allerdings war es nicht wie bei Mama eine Berufung oder gar Rebellion, sondern ich habe einfach die Familientradition fortgesetzt.“
Rossellini hat kein Problem damit, dass sie auch noch mit 72 oft als „die Tochter von Ingrid Bergman und Roberto Rossellini“ tituliert wird. Im Gegenteil: „Ich finde es eher bedauernswert, dass es früher viel häufiger passiert ist.“ Seit ihrer Nominierung vermisst sie ihre Eltern so sehr wie schon lange nicht mehr: „Ich wünschte, sie wären noch am Leben und könnte diesen Triumph zusammen mit mir feiern.“ ■