Seit Montag verschwunden

Die Zeit wird knapp: Helfer suchen auch in einem Fluss nach Arian (6)

Er ist Autist, sechs, spricht nicht und trägt weder Schuhe noch Jacke. Die Suche nach Arian wird am Sonntag mit 800 Helfern fortgesetzt.

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Einsatzkräfte der Feuerwehr und Soldaten der Bundeswehr sind mit einem Suchhund in einem Boot auf dem Fluss Oste unterwegs.
Einsatzkräfte der Feuerwehr und Soldaten der Bundeswehr sind mit einem Suchhund in einem Boot auf dem Fluss Oste unterwegs.Moritz Frankenberg/dpa

Die Suche nach dem vermissten sechsjährigen Arian A. aus Bremervörde-Elm in Niedersachsen ist am Samstag fortgesetzt worden - auch auf einem Fluss. Eine neue Spur sei nicht entdeckt worden, sagte der Sprecher der Polizei am Samstagnachmittag.

Der kleine Arian, der Autist ist, wird seit Montagabend vermisst. Hunderte Einsatzkräfte durchkämmen seitdem den Heimatort des Jungen und das Umland. Bremervörde-Elm liegt zwischen Bremerhaven und Hamburg. Eine Überwachungskamera hatte den Jungen am Montagabend gefilmt, wie er nach dem Verschwinden aus seinem Elternhaus wahrscheinlich Richtung eines Waldes lief. Das ist die letzte Spur des Kindes.

Laut einer Beschreibung trägt Arian eine schwarze Jogginghose, Socken und ein dünnes, oranges Longsleeve-Shirt mit Aufdruck. Eine Jacke und Schuhe werden nicht erwähnt. Er könnte sich die letzten Tage von Gras, Zweigen, Blättern und Wasser ernährt haben.

Am Samstag durchsuchten die Einsatzkräfte wieder nahe Elm die Oste, einen Nebenfluss der Elbe. Sie fuhren mit sogenannten Sonarbooten auf dem Fluss. An Land liefen Helfer den Fluss zu Fuß ab. Weitere Einsatzkräfte durchkämmten das Gebiet zwischen Elm und der Gemeinde Oldendorf. Am Sonntag sollen rund 800 Einsatzkräfte nach dem Jungen suchen - und damit mehr als je zuvor, wie ein Sprecher am Samstagabend ankündigte. Die Helfer werden demnach eine Suchkette bilden. Zehn Drohnen sollen aufsteigen. Die Bauern der Region werden gebeten, nicht ihre Wiesen nicht zu mähen. Der Junge könnte im hohen Gras versteckt liegen.

Freiwillige Helfer suchen auch am Samstag nach Arian

Wie viele Menschen am Samstag nach Arian suchen, ist unklar, der Polizei lag keine Gesamtzahl vor. Der Sprecher sagte, am Samstag hätten sich rund 50 Polizisten freiwillig zum Dienst gemeldet, Bereitschaftspolizisten seien nicht im Einsatz gewesen. Dazu kommen Helfer der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), des Deutschen Roten Kreuzes und des Technischen Hilfswerks. Eine Sprecherin des Landeskommandos Niedersachsen der Bundeswehr sagte am Samstag, tagsüber beteiligten sich rund 400 Objektschützer und Logistiker an der Suche. Nachts seien etwa 60 Soldaten im Einsatz.

Der Polizeisprecher sagte, es gebe keine Hinweise auf einen Kriminalfall. Auch einen etwaigen Wolfsangriff, in der Gegend gibt es Wölfe, schloss der Sprecher aus. Ein Wolfsberater des Landkreises Rotenburg hält das ebenfalls für unwahrscheinlich. Wolfgang Albrecht sagte, Gefahr bestehe nur in Sonderfällen, etwa wenn ein Wolf sich angegriffen fühle.

Ergotherapeutin lobt die Einsatzkräfte – es werde an allen Orten gesucht

Arian wird wahrscheinlich nicht auf Zuruf reagieren. Die Ergotherapeutin Jutta Bertholdt arbeitet mit Autisten und berät die Einsatzkräfte. Sie sagte, Arian könne ohne die Erlaubnis einer Vertrauensperson vor Kontakt mit Einsatzkräften zurückschrecken. Menschen mit Autismus seien Regeln vergleichsweise wichtig, sagte sie. Deswegen seien Aufnahmen abgespielt worden, die Arian hören sollte. Diese erlaubten ihm, sich an die Helfer zu wenden.

Bertholdt hatte den Einsatzkräften geraten, Arian nicht anzufassen, sollten sie ihn finden. Autisten könnten Berührungen von Fremden als unangenehm oder schmerzhaft empfinden, sagte sie. Das sei aber nicht immer so. Die Ergotherapeutin lobte die Einsatzkräfte. Es werde an allen Orten gesucht, was richtig sei. Es könne sein, dass Arian als Autist anders als Altersgenossen keine Angst etwa vor dem dunklen Wald habe.

Taktik geändert: leise Suche statt Feuerwerk und Kinderlieder

In der Nacht zu Samstag suchten Soldaten der Bundeswehr mit Nachtsichtgeräten nach dem Jungen. Die Soldaten sollten in kleinen Gruppen unterwegs sein. Besprochen wurde, dass die Einsatzkräfte sich still verhalten. Damit stellte die Einsatzleitung ihre Taktik um: In Nächten zuvor spielten die Helfer Kinderlieder und brannten Feuerwerk ab. Damit sollte Arians Aufmerksamkeit geweckt werden. Man habe die Taktik geändert, weil die anderen Ansätze keinen Erfolg gebracht hätten, sagte der Polizeisprecher.

Helfen könnten Erkenntnisse aus vergangenen Vermisstenfällen gewinnen - darunter der eines tagelang vermissten Achtjährigen aus Oldenburg im Jahr 2022. Das geistig behinderte Kind hatte sich in einem Kanalsystem verirrt. Ein Spaziergänger hatte nach acht Tagen Suche ein leises Wimmern aus einem Kanaldeckel gehört - nur wenige hundert Meter vom Elternhaus des Kindes entfernt. Der Junge wurde lebend gerettet. Das motiviert die Helfer auf der Suche nach Arian, auch wenn die Zeit knapp wird.

Zuletzt veröffentlichten die Eltern von Arian ein Statement, das die Polizei Rotenburg unter anderem auf Facebook verbreitet. Darin heißt es: "Wir glauben, dass sich Arian auf den Weg gemacht hat, um ein großes Abenteuer zu erleben." Die Eltern bitten daher auch die Einwohner von weiter entfernten Dörfern, regelmäßig nach Arian zu suchen. "Arian ist ein sportlicher, geschickter kleiner Junge mit fantastischen Instinkten. Er kann sehr gut klettern und hat viel Energie, weshalb er auch weitere Strecken zurücklegen oder einen Hochsitz erklimmen kann", so die Eltern.