Ich bin ganz ehrlich: Mit der Musik von Bob Dylan kann ich nicht viel anfangen. Ich kenne die Hits, die er in seinem Programm hat, ich kenne den Star selbst, doch ich würde nicht unbedingt ein Konzert des Musikers besuchen. Und doch bewundere ich ihn – denn was ich über die anstehenden Konzerte seiner Tour in Deutschland gelesen habe, begeistert mich zutiefst: Dylan hat veranlasst, dass die Benutzung von Smartphones auf seinen Shows verboten ist. Eine richtig geniale Idee. Denn Menschen, die ganze Konzerte mit ihren Smartphones filmen, anstatt das Live-Erlebnis zu genießen, gehen mir einfach nur noch auf die Nerven.
Konzerte filmen mit dem Handy: Was soll dieser Quatsch bei Rammstein und Co.?
Die Saison der Sommerkonzerte ist in vollem Gange – und auch ich habe ein paar Termine auf dem Zettel. Bei der aktuellen Tour von Rammstein war ich bereits im Mai, in der Dresdner Rinne spielten die Rocker um Frontmann Till Lindemann ihre Hits. Als die Sonne versank und die Dunkelheit Dresden einnahm, ließ sich ein Phänomen gut beobachten: Jeder Licht-Blitz, der auf der Bühne zu sehen war, tauchte Millisekunden später auf Tausenden Smartphone-Bildschirmen im Zuschauerraum auf. Denn etliche Leute filmen, anstatt die Show zu genießen. Sie strecken ihre Arme in die Höhe, wollen jede Sekunde des Konzerts festhalten. Nur: Wozu dieser Quatsch?
Ich habe für diese Smartphone-Filmer kein Verständnis. Sie blättern viel Kohle für ihre Tickets hin, um sich die Show dann auf einem Display anzugucken, das so groß ist wie ein Salzcracker. Was für ein Unsinn! Besonders wütend macht es mich, weil wir während der Corona-Krise erlebt haben, wie fragil unsere Freiheit ist. Einfach so zu solchen Veranstaltungen gehen? Das war während der Pandemie zeitweise nicht möglich. Nach dem ersten Lockdown war es für mich ein fast erhebendes Gefühl, wieder bei einer Show zu sitzen. Nach den Jahren weiß ich Live-Events mehr zu schätzen. Und ich finde es eine Schande, dass andere so leichtfertig damit umgehen.

Hinzu kommt: Was zur Hölle machen die Handy-Filmer mit den Aufnahmen? Schauen sie sich die wackeligen Videos mit übersteuertem Ton immer wieder an – oder verschwinden die Clips doch nur im Smartphone-Archiv, um nie wieder angeguckt zu werden? Werden die Filmchen stolz Freunden gezeigt, die mit der wummernden Musik und den hellen Lichtern, zwischen denen man etwa Till Lindemann von Rammstein nur erahnen kann, sowieso nichts anfangen können? Ich erschrecke jedes Mal, wenn mich in irgendeinem Whatsapp-Status von Bekannten plötzlich Roland Kaiser anbrüllt. Und ich kann mir nichts Nervigeres vorstellen, als mir auf dem Sofa anderer Leute unscharfe Videos von einem Konzert anschauen zu müssen, auf dem ich selbst gar nicht war.
Filmen bei Konzerten: Schaut sich die wackeligen Videos jemals irgendwer an?
Ich glaube, dass die Filmerei oft nur ein Ausdruck des ständigen Kampfes um Bedeutung ist. Es interessiert viele viel mehr, wie das, was sie tun, auf andere wirkt. Anstatt eine Show zu genießen, müssen sie der ganzen Welt zeigen, dass sie da waren. Die sozialen Medien haben uns darauf getrimmt, dass wir immer ein abenteuerliches Leben ausstrahlen müssen. Aber wozu? Nach dem Rammstein-Konzert in Dresden habe ich im Zug ein Gespräch einer kleinen Fan-Gruppe belauscht. Eine Frau beschwerte sich darüber, dass so viele Leute filmen. Und sagte: „Zu Hause würde denen vermutlich keiner glauben, dass sie überhaupt bei Rammstein waren.“ Nur: Waren diese Besucher dann für sich selbst da – oder um anderen stolz davon berichten zu können?

Und unabhängig vom nicht nachvollziehbaren Antrieb jedes einzelnen nervt es auch einfach, wenn man ein Konzert durch hochgestreckte Arme angucken muss. In Rammstein-Gruppen lese ich auch immer wieder, dass nur wenige richtig feiern, weil manche Besucher viel zu sehr damit beschäftigt sind, das Handy gerade zu halten. Rammstein-Keyboarder Christian „Flake“ Lorenz schrieb in seinem Buch „Heute hat die Welt Geburtstag“ über die Handy-Filmer: „Wenn sie mal pinkeln gehen müssen, hält ihre Freundin das Handy hoch. Meistens achtet sie aber nicht genug auf die Filmerei und nimmt ein paar Minuten lang den Rücken des Vordermannes auf“.
Filmen auf Konzerten: Das sagt Rammstein-Keyboarder Christian „Flake“ Lorenz dazu
Das mache aber nichts, denn niemand werde sich je diesen Mitschnitt ansehen. „Mir kann das zwar egal sein, aber ich finde es traurig. Denn diese Leute achten oft gar nicht mehr auf das Konzert, sie haben ja alles gefilmt.“ Auch bei den Musikern selbst kommt dieses Verhalten der Fans also an – und ich finde nicht, dass es den Künstlern gegenüber besonders viel Respekt zeigt. Schließlich wollen sie den Fans eine besondere Show bieten, dürfen aber statt in begeisterte Augen in die Linsen der Smartphones glotzen.
Deshalb macht es Bob Dylan richtig. Er mag keine Smartphones auf Konzerten, die Benutzung ist untersagt. Wer eins der Geräte dabei hat, muss es beim Einlass in eine abschließbare Tasche einsperren, diese dann bei sich tragen. Wer einen Notfall hat und telefonieren muss, kann dafür in einen gesonderten Telefon-Bereich gehen. Dann gibt es keine nervigen Filmer – und alle sind dazu angehalten, die Show auch wirklich zu genießen. Denn kommt es nicht vor allem darauf an? Auch ich mache Bilder bei Konzerten, nur gehen die in 99 Prozent der Fälle nicht in Richtung Bühne. Lieber mache ich ein Selfie von meinen Freunden und mir. Denn darauf kommt es doch an: Mit solchen Erlebnissen schaffen wir gemeinsame Erinnerungen, die kein Wackel-Video der Welt ersetzen kann. ■
Was halten Sie davon, wenn auf Konzerten gefilmt wird? Und: Finden Sie das Smartphone-Verbot richtig? Schicken Sie uns Ihre Meinung an leser-bk@berlinerverlag.com. Wir freuen uns auf Ihre Zuschriften!