„Die Hose … die Hose ist weg“, kreischt Heidi Klum und hält sich die Hände vors Gesicht. GNTM-Liebling Linus hat beim großen Nackt-Shooting seinen – nennen wir es Lendenschurz – verloren. Von einer Hose kann man hier nicht wirklich sprechen, das Stück Stoff verdeckt nur das Allernötigste. Die Kandidaten müssen in Folge 15 im Regen in die Luft springen und dabei ihre Genitalien mehr oder weniger festhalten – dass es dabei zu ungewollten Entblößungen kommt, verwundert nicht.
Marvin fühlte sich nackt nicht wohl – und flog aus der Show
Doch sind solche Shootings und die ganze Show „Germany’s Next Topmodel“ überhaupt noch zeitgemäß? Das Nackt-Shooting gehört wie das große Umstyling in jeder Staffel mit dazu und verspricht den Zuschauern Spannung und – na klar, nackte Haut. Sex sells! Heidi merkt immer wieder bewundernd an, wie selbstbewusst einige Kandidaten mit ihrem Körper umgehen. Nur Marvin fühlt sich etwas unwohl bei dem Shooting und fliegt deshalb sofort aus der Show. Eine problematische Botschaft, die uns die Sendung in diesem Moment vermittelt. Schließlich hat Marvin bis zu diesem Zeitpunkt immer konstant gute Leistung gebracht und wird sofort gekickt, nur weil er seine Unsicherheit für einen kurzen Moment nicht verstecken kann.

Sollte es ein derartiges Shooting wirklich noch geben? Mal stelle sich einmal vor, ein Mann würde in Heidis Chefsessel sitzen und ein junges Mädchen würde vor ihm ihre knappe Unterwäsche verlieren und dann auch noch aus der Show fliegen, weil sie sich unwohl fühlt. Würde das auch so einfach akzeptiert werden?
Mit den Männer-Models war GNTM einfach zu spät dran
Das ganze Show-Konzept wirkt mittlerweile etwas widersprüchlich. Erstmals wurden in diesem Jahr auch männliche Models gesucht. Als Sieger kürte Heidi einen Mann (Jermaine) und eine Frau (Lea). Die Produktion entschied sich erst nach 18 Jahren zu diesem Schritt, der längst überfällig war und zu spät umgesetzt wurde. In Zeiten, wo Genderneutralität gefeiert wird, verliert solch ein Wettbewerb, in dem zwischen Frauen und Männern unterschieden wird, irgendwie an Bedeutung. Plötzlich wird darüber diskutiert, ob GNTM-Kandidat Dominic wirklich ein Male-Model ist oder ob er dafür zu feminin sei und besser mit den Frauen konkurrieren sollte. Dabei wurde Diversität noch vor einigen Jahren bei GNTM ganz groß auf die Fahne geschrieben.
Sehen wollen die Zuschauer „Germany’s Next Topmodel“ nach 18 Jahren aber immer noch. Den Abschluss bildete wie jedes Jahr ein großes Finale als Liveshow, das von vielen Fans wahrscheinlich nur noch wegen des hohen Cringe-Faktors gesehen wird. Heidi sitzt zum Auftakt auf einer großen, roten Herzschaukel und trällert schief ins Mikrofon: „AAAAAAHHHHH, yeah, yeah, yeah, yeah, You’ve got to show me love.“ Dann erscheinen die sieben Finalisten sowie die ausgeschiedenen Kandidaten in komplett roten Outfits, die eher an eine Fetischparty erinnern als an ein Castingshow-Finale. Doch genau das ist es wohl mittlerweile, was man bei einem GNTM-Finale erwartet – sonst hätte man ja auch nichts zu twittern (oder exen).
Julia Nothacker schreibt donnerstags über Stars und Sternchen. Kontakt in die Redaktion per E-Mail an: wirvonhier@berlinerverlag.com ■