Als ich letzte Woche über „Hot Girl Summer“ geschrieben habe, war ich vollkommen überzeugt: Dieser Sommer wird ein „Ben Affleck Summer“. Aber wie es in den sozialen Medien eben ist: Trends ändern sich schnell. Auch wenn der „Ben Affleck Summer“ für viele wohl weitergehen wird: Der Sommer dieses Jahres wird von großen Teilen des Internets zum „Brat Summer“ (oder „Brat Girl Summer“) erklärt – und sogar die voraussichtliche Präsidentschaftskandidatin der Demokraten in den USA, Kamala Harris, ist dabei.
Pop-Album „Brat“ löst Internet-Trend aus
Nein, mit Braten hat „Brat“ nichts zu tun. Es geht um das englische Wort „brat“ (ausgesprochen in etwa: Brett), das man auf Deutsch mit „Rotzgöre“ übersetzen kann. Die Bezeichnung kommt genauso wie „Hot Girl Summer“ von einem Anwärter auf den Sommerhit des Jahres. Das ist dieses Mal die britische Sängerin Charli XCX mit ihrem Album „Brat“.
Charli XCX ist keine Unbekannte, hatte auch schon auf dem Soundtrack zum „Barbie“-Film einen Song. Aber mit „Brat“ hat sie so richtig den Nerv der Zeit getroffen. Die Lieder auf „Brat“ sind frech, elektronisch und laden zum Tanzen ein. Eine „brat“ ist laut Charli XCX „ein Mädchen, das ein bisschen chaotisch ist und vielleicht manchmal dumme Dinge sagt; das etwas übertreibt und dann vielleicht auch einen Zusammenbruch hat, aber trotzdem Party macht.“ Wie so viele Sachen im Internet ist auch diese Beschreibung mit einem Augenzwinkern zu lesen.
Das klingt nach einer Einstellung, mit der der Sommer Spaß machen könnte, fanden viele junge Menschen im Internet und riefen den „Brat Summer“ aus. Ob all diese Menschen wirklich auf Partys gehen und die innere „brat“ rauslassen, konnte ich bisher nicht bestätigen, aber auf jeden Fall haben sie ganz viel Spaß an giftgrünen Sachen. Denn das Albumcover von „Brat“ sieht sehr einprägsam aus: komplett Giftgrün, mit einem simplen schwarzen, unscharfen Schriftzug. Während also im letzten Jahr wegen „Barbie“ alle Pink tragen wollten, tragen sie dieses Jahr wegen „Brat“ Giftgrün.
kamala IS brat
— Charli (@charli_xcx) July 22, 2024
„Brat“-Trend macht auch Kamala Harris cool
„Brat“ zu sein, ist eben einfach cool. Und hier kommt dann auch schon Kamala Harris ins Spiel. Als Joe Biden nämlich offiziell von seiner Kandidatur zurückgetreten war, postete Charli XCX auf Twitter: „kamala IS brat“ (deutsch: Kamala IST eine Rotzgöre.). Ein Ritterschlag der Coolness, also. Kamala Harris nahm die Ehre an, indem ihr Social-Media-Team das Banner ihres offiziellen Wahlkampf-Accounts giftgrün färbte.
Die Assoziation wird Kamala Harris auf jeden Fall im Wahlkampf bei den schwer umkämpften jüngeren Wählern helfen. Dass ein Internet-Trend jetzt aber Einfluss auf die Wahl in den USA hat, führte zu so manch amüsanten Situationen. So waren zum Beispiel seriöse Nachrichtensender wie CNN dazu gezwungen, „TikTok-Korrespondenten“ ins Studio einzuladen, die den Trend mit offensichtlicher Verblüffung und Unverständnis erklärten. Der britische Nachrichtensender Sky News hat die Frage gleich als Push-Meldung geschickt: „Was ist ‚Brat Summer‘?“
Dabei ist es eigentlich ganz einfach. „Brat“ ist momentan der Inbegriff der Coolness. Alle, und vor allem jungen Frauen und Mädchen im Internet, wollen einen Sommer voller Partys haben, sie wollen giftgrüne Klamotten tragen und sich keine Sorgen darum machen müssen, wie sie auf andere wirken.
Nur, wie lange wird der Hype anhalten? Als Hillary Clinton vor ein paar Jahren für die Präsidentschaft kandidierte, sprach alle Welt über das Handyspiel „Pokémon GO“, und genauso wie Kamala Harris es mit „Brat“ macht, wollte auch Clinton junge Menschen ansprechen. Auf einer Wahlveranstaltung machte sie den Wortwitz „Pokémon GO to the polls“ (auf Deutsch wörtlich: „Pokémon GEH zur Wahl“). Der Witz ging nach hinten los: Bis heute wird über den durchschaubaren Anbiederungsversuch gelacht. Wird es Harris bald genauso gehen?
Jana Hollstein schreibt immer dienstags für den KURIER über die große weite Welt des Internets. Mails an wirvonhier@berlinerverlag.com ■