Die römisch-katholische Kirche ist eine der ältesten Institutionen der Welt, buchstäblich (wie der Name schon sagt) ein Überbleibsel des Römischen Reichs. Und was hat sie nicht schon alles mitgemacht: Das Ende der Antike, das gesamte Mittelalter, Revolutionen, zwei Weltkriege. Nun kommt eine neue Herausforderung auf sie zu: Die sozialen Medien.
Papst Franziskus: Älter als TikTok
Zugegeben: Wenn wir ganz genau sein wollen, hat es 2013, bei der Wahl von Papst Franziskus, Social Media schon gegeben. Doch in unserer schnelllebigen Zeit war es eine komplett andere Welt. Ich hatte damals, daran erinnere ich mich noch genau, mein erstes Smartphone bekommen. „Selfie“ wurde das vom Oxford Dictionary gewählte Wort des Jahres. Facebook war die meistbenutzte Social-Media-Plattform, damals waren vor allem Schüler und Studenten dort zu finden. Instagram steckte in seinen Kinderschuhen, TikTok gab es nicht, schon gar nicht dessen Nachmacher. Kommunizieren tat man über Telefon und SMS, nicht über WhatsApp. Social Media existierte - aber hätte jemand behauptet, wir würden „in Zeiten von Social Media“ leben, wäre man wahrscheinlich komisch angeguckt worden.
Konklave in Zeiten von sozialen Medien
Inzwischen ist Social Media unumgänglich. Jede Altersklasse ist hier vertreten, jedes Geschäft, Dienstleister etc. braucht ein aktives Profil, Cybermobbing ist vom Rand- zum gesellschaftlichen Problem geworden und Angst vor Fremden im Internet hat kaum jemand mehr – schließlich sind wir alle Fremde im Internet. Sogar Franziskus selbst warnte vor den Gefahren übermäßigen Internet-Konsums.
Und natürlich muss auch jedes gesamtgesellschaftliche Ereignis in den sozialen Medien ausgiebig diskutiert werden. Wenn dann so eine jahrtausendealte Tradition wie die Wahl des neuen Papstes durch die Augen von (meist atheistischen) Social-Media-Nutzern gesehen wird, dann treibt das manchmal schon herrliche Blüten.
Die heißesten Kandidaten? Selbstverständlich schon bekannt. Jeder „Papabile“ („Papsttaugliche“) hat seine Unterstützer – auch wenn die vor wenigen Tagen zum ersten Mal von ihm gehört haben und in vielen Fällen nicht mal katholisch sind. Dabei sein ist eben alles.

Luis Tagle, Social-Media-Papst
Großer Favorit ist der philippinische Kardinal Luis Tagle, guter Freund von und wahrscheinlich insgesamt der Nachfolger-Favorit von Papst Franziskus höchstpersönlich. Internetnutzer hinterlegen Videos von ihm mit koreanischer Popmusik und verbreiten damit seine frohe Botschaft im Internet.
Einen großen Anschub bekam sein digitale Fangemeinde, als ein Video von ihm ans Licht kam, in dem er Karaoke sang – „Imagine“ von John Lennon. Ursprünglich war das Video von ultrakonservativen Christen verbreitet worden, um ihn anzuprangern. Schließlich widersprechen die Zeilen „Imagine there's no heaven / it's easy if you try / no hell below us / above us only sky“ der kirchlichen Lehre von Himmel und Hölle. Aber keine Sorge: Tagles Fans kamen seinem Ruf im Internet sofort zur Hilfe und erklärten, dass Tagle diese Zeilen genau deswegen eben nicht gesungen hat. Puh!
Eines ist allerdings klar: Der nächste Skandal rund um den Heiligen Stuhl steht schon in den Startlöchern – und es besteht eine echte Chance, dass er von einem evangelischen Internetnutzer aus den USA ans Licht gebracht wird, der vorher noch nie von der katholischen Kirche gehört hat.
Jana Hollstein schreibt immer dienstags für den KURIER über die große weite Welt des Internets. Mails an wirvonhier@berlinerverlag.com ■