Als vor vier Jahren die erste Staffel „Bridgerton“ rauskam, mitten in der Corona-Pandemie und zwischen den Jahren, war es nicht weniger als ein kulturelles Ereignis: Noch mehr als sonst saß alle Welt nach Weihnachten 2020 auf der Couch und hat durch die Streaming-Anbieter gezappt.
Der perfekte Zeitpunkt für Netflix damals, eine große Produktion wie „Bridgerton“ auf den Markt zu bringen. Und als Liebhaberin von Romanzen habe ich mich eh besonders gefreut, denn Netflix setzt sein Geld üblicherweise eher auf Drama und Mystery wie „Stranger Things“ oder „Squid Game“. Es war einfach mal eine schöne Abwechslung, zu Zeiten des Lockdowns in diese romantische Welt zu fliehen. Offensichtlich war ich nicht alleine. „Bridgerton“ ist ein Weltphänomen geworden. Aber nach der ersten Euphorie ist es ein bisschen schal geworden.
Die zweite Staffel „Bridgerton“ war der Anfang vom Ende
Es hat schon in der zweiten Staffel angefangen: Ich habe damals nach der ersten Staffel alle Bücher der „Bridgerton“-Reihe verschlungen, wie wahrscheinlich viele andere. Meine liebsten Bücher waren Anthonys Buch, also die Vorlage für die zweite Staffel, und Francescas Buch, also die Vorlage für die sechste Staffel (wenn es denn so weit kommt).
Die zweite Staffel hat mich ein bisschen enttäuscht, aber ich glaube, so ist das eben, wenn man ein Buch liebt: Keine Adaption kann jemals gut genug sein. Schlimmer war aber eigentlich, dass es ab der zweiten Staffel so viel Drama um die Show in sozialen Medien gab, dass es schwer wurde, die Serie wirklich zu genießen.
Denn auf einmal hatten alle die Bücher gelesen, und nachdem sie Fans der ersten Staffel waren, hatten viele anscheinend das Gefühl, dass sie mitreden dürfen sollten, was passiert. In der ersten Staffel hatte man einfach noch Spaß an etwas Realitätsflucht, seit der zweiten Staffel musste auf einmal alles diskutiert werden.

Unzufriedenheit bei „Bridgerton“-Fans wegen allem
Und wer auch immer für die Vermarktung der Serie zuständig war, hat noch mal Öl ins Feuer gegossen, indem das zentrale Paar der Staffel, Kate und Anthony, kaum vermarktet wurde. So wirklich zufrieden war also niemand: Fans des Paares beschwerten sich, dass sie in ihrer eigenen Staffel zu wenig Aufmerksamkeit bekamen, für andere konnte nichts, was die Schauspieler der beiden machten, gut genug sein. Dass die Schauspielerin von Kate, Simone Ashley, indische Wurzeln hat, und der Schauspieler von Anthony, Jonathan Bailey, schwul ist, hat die beiden noch mal zusätzlich zu einer Angriffsfläche gemacht.
Seit letzter Woche ist nun die dritte Staffel „Bridgerton“ raus, und es geht schon wieder genauso los. Im Internet wird an allen Ecken rumgezetert. Das sind Momente, wo ich mir gerne und bewusst eine Auszeit von den sozialen Medien nehme. Denn ganz ohne das Hintergrundrauschen niemals zufriedener vermeintlicher „Fans“ lässt sich die Realitätsflucht sehr viel einfacher genießen.
Mal unter uns gesagt: Ich halte die dritte Staffel bisher tatsächlich für die schwächste. Ich verfolge die Serie gerne weiter mit mildem Interesse, und hoffe einfach, dass die sechste Staffel, Francescas Geschichte, tatsächlich so gut wird, wie ich sie mir erhoffe. Doch auch ich muss mir eingestehen: Die Flitterwochen-Stimmung, die Fans nach der ersten Staffel mitgerissen hat, ist leider vorbei.
Jana Hollstein schreibt immer dienstags für den KURIER über die große weite Welt des Internets. Mails an wirvonhier@berlinerverlag.com ■