Gesund oder gefährlich?

Tradition nach dem Essen: Hilft ein Schnaps wirklich der Verdauung?

Vor allem in der bevorstehenden Advents- und Weihnachtszeit wird gut gegessen – und danach zum Schnaps gegriffen. Aber: Hilft das wirklich?

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In jeder DDR-Schrankwand versteckten sich die Schnäpse - sie wurden als Verdauer nach dem üppigen Essen serviert.
In jeder DDR-Schrankwand versteckten sich die Schnäpse - sie wurden als Verdauer nach dem üppigen Essen serviert.Christian Schroedter/imago

Die Weihnachtszeit steht kurz bevor – und damit auch die Zeit des überaus üppigen Essens. Ob Rinderbraten oder Gänsekeule, ob Karpfen oder Christstollen: In der Adventszeit und an den Festtagen wird öfter als sonst kräftig zugelangt. Ein Tradition gehört dabei dazu: Sobald die Teller leer sind, kommt das Schnapsglas auf den Tisch. Denn: Ein Schnäpschen hilft bei der Verdauung! Aber: Ist das wirklich so? Lohnt es sich und hilft es dem Körper, wenn man nach dem Festmahl zum Schnapsglas greift? Wir verraten, ob der Mythos stimmt – und was es mit dem Schnaps nach dem Essen auf sich hat. Na dann: Guten Appetit und Prost!

Schnaps nach dem Essen: Hilft das wirklich bei der Verdauung?

Kaum ist das üppige Essen beendet, greift so mancher routiniert zum Schnapsglas. Der „Verdauungsschnaps“ ist in vielen Ländern und Kulturen eine fest verankerte Tradition, die das Ende eines schweren Mahls markiert. Und das schon sehr lange: Schon im Mittelalter tranken Menschen Kräuterliköre oder -schnäpse, oft als Teil medizinischer Anwendungen. Damals galt Alkohol mit Kräuterzusätzen als Heilmittel gegen allerlei Beschwerden – darunter auch Verdauungsprobleme. Diese Praxis hat sich bis heute gehalten, der „Digestif“ ist ein beliebter Abschluss nach einem deftigen Essen. Beim Essen im italienischen Restaurant gibt’s am Ende beispielsweise oft Grappa, Kräuterschnaps oder einen süßen Amaretto aufs Haus.

Die Idee dahinter ist simpel: Ein Schnaps nach dem Essen soll die Verdauung anregen, indem er den Magen entspannt und die Produktion von Magensäure und Verdauungsenzymen fördert. Doch ist das tatsächlich so? Fakt ist: Alkohol wirkt in geringen Mengen entspannend auf die Muskulatur des Verdauungstraktes. Dadurch könnten unangenehme Krämpfe oder das Gefühl von Völlegefühl gelindert werden. Zudem regt Alkohol die Durchblutung an, was manche Menschen als „wärmendes Gefühl“ im Magen empfinden. Doch während Alkohol kurzfristig den Eindruck vermittelt, dass er wohltuend wirkt, ist die Wirkung auf die Verdauung insgesamt eher zweischneidig.

Schon früher trank man gern den Verdauer nach einem üppigen Essen. Aber: Hilft das wirklich?
Schon früher trank man gern den Verdauer nach einem üppigen Essen. Aber: Hilft das wirklich?United Archives/imago

Zwar regt Alkohol die Produktion von Magensäure an. Das kann in manchen Fällen hilfreich sein, um die Verdauung schwerer, fettreicher Speisen zu unterstützen. Doch ein Zuviel an Magensäure kann auch das Gegenteil bewirken, indem es Sodbrennen oder eine gereizte Magenschleimhaut verursacht. Zudem wird durch den Schnaps sogar die Entleerung des Magens verlangsamt. Das bedeutet, dass das Essen länger im Magen verbleibt, was wiederum das Gefühl von Schwere und Völlegefühl verstärken kann. Hinzu kommt: Alkohol wird primär in der Leber abgebaut. Während dieser Prozess stattfindet, verlangsamt die Leber ihre anderen Aufgaben, darunter die Verarbeitung von Nährstoffen. Ein Schnaps könnte also die Verdauung indirekt behindern.

Hilft Verdauungsschnaps wirklich? Nein, er kann die Verdauung verlangsamen!

Dass der Schnaps die Verdauung eher verlangsamen kann, haben auch schon Studien gezeigt. Trotzdem schwören viele Menschen auf ihren Verdauungsschnaps. Der Grund dafür könnte weniger mit der Verdauung selbst zu tun haben und mehr mit der entspannenden Wirkung von Alkohol. Ein Schnaps nach dem Essen kann helfen, die Muskeln zu lockern und Stress abzubauen, was wiederum indirekt die Verdauung fördern könnte. Auch der psychologische Effekt sollte nicht unterschätzt werden. Wenn der Schnaps als Ritual empfunden wird, das den Magen beruhigt, kann allein dieser Glaube dazu beitragen, sich wohler zu fühlen – ein klassischer Placebo-Effekt.

Nur: Wenn der Verdauungsschnaps nach dem Essen nicht hilft – was dann? Der beste Klassiker ist in jedem Fall der Spaziergang an der frischen Luft. Denn Bewegung hilft – und vor allem an den Festtagen kann es einfach wohltuend sein, mal ein paar Schritte zugehen. Wer seine Verdauung unterstützen möchte, kann außerdem auf bewährte Hausmittel setzen, die den Magen tatsächlich entlasten, etwa Kamillen- oder Fencheltee. Oft ist auch ein Glas warmes Wasser mit Zitrone eine einfache und effektive Möglichkeit, den Magen zu unterstützen. ■