Bittere Statistik

Jahresbilanz: So verbreitet ist Ärzte-Pfusch in Kliniken und Praxen!

Der Medizinische Dienst legt die Jahresstatistik über ärztliche Behandlungsfehler vor. Auf welchen Fachgebieten passiert Ärzte-Pfusch am häufigsten?

Author - Stefan Doerr
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Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen passieren immer wieder Behandlungsfehler in deutschen Kliniken.
Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen passieren immer wieder Behandlungsfehler in deutschen Kliniken.imago/photothek

Man geht ins Krankenhaus, um sich operieren zu lassen und die Behandlung geht schief! Das ist die Horrorvorstellung jedes Patienten und jeder Patientin. Und es gibt mehr Behandlungsfehler, als man glaubt. Mehr als 3000 Fälle von Behandlungsfehlern mit Schaden stellte der Medizinische Dienst in der aktuellen Jahresstatistik fest, die heute in Berlin vorgestellt wurde. Es geht dabei um Pfusch bei Hüft- und Kniegelenksverschleiß, Knochenbrüchen, Gallensteinen, Zahnwurzelbehandlungen und vielem mehr.

Insgesamt 12.304 fachärztliche Gutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern hat der Medizinische Dienst im Jahr 2024 in ganz Deutschland verfasst. In jedem vierten Fall, genau in 3301 Fällen, stellten die Gutachterinnen und Gutachter einen Behandlungsfehler mit Schaden fest. Das sind aufs Jahr gerechnet neun Fälle pro Tag!

In diesen Fachgebieten passieren die meisten Behandlungsfehler

Meist passiert der Pfusch in der stationären Versorgung. Zwei Drittel aller erhobenen Behandlungsfehlervorwürfe passieren in Krankenhäusern (7960 Fälle), zumeist bei Operationen. Ein Drittel der Vorwürfe betrafen den ambulanten Bereich (4312 Fälle). Und welche Fachrichtungen sind besonders anfällig für Ärzte-Pfusch? Weit vorn liegt die Orthopädie und Unfallchirurgie mit 29,8 Prozent der Vorwürfe (3664 Fälle). 11,5 Prozent betrafen die Innere Medizin und Allgemeinmedizin (1402 Fälle); 8,9 Prozent die Frauenheilkunde und Geburtshilfe (1097 Fälle); 8,4 Prozent die Zahnmedizin (1040 Fälle) und 7,9 Prozent die Allgemein- und Viszeralchirurgie (971 Fälle). 6,7 Prozent der Vorwürfe bezogen sich auf Pflege (827 Fälle). 26,8 Prozent der Vorwürfe entfielen auf 29 weitere Fachgebiete (3303 Fälle).

Behandlungsfehler schädigen nicht nur die Patienten, sondern kosten das Gesundheitswesen Milliarden Euro, beklagt Stefan Gronemeyer vom Medizinischen Dienst Bund.
Behandlungsfehler schädigen nicht nur die Patienten, sondern kosten das Gesundheitswesen Milliarden Euro, beklagt Stefan Gronemeyer vom Medizinischen Dienst Bund.dts Nachrichtenagentur/imago

Behandlungsfehler kosten Milliarden Euro

134 Fälle wurden als sogenannte Never Events eingestuft, also als schwerwiegende Ereignisse in der klinischen Behandlung, die Patienten schädigen und durch geeignete Vorsichtsmaßnahmen vermeidbar wären. Dazu gehören schwerwiegende Medikationsfehler, unbeabsichtigt im Körper zurückgebliebene Fremdkörper nach Operationen oder Verwechslungen von Patientinnen und Patienten, die zu schweren Schäden führen können.

Behandlungsfehler haben nicht nur Folgen für die geschädigten Patientinnen und Patienten. Sie kosten auch das Gesundheitssystem Milliarden Euro. „Es entstehen enorme Kosten im Gesundheitssystem, weil Folgeuntersuchungen, erneute Operationen und Nachbehandlungen notwendig sind“, sagt Dr. Stefan Gronemeyer, Vorstandsvorsitzender des Medizinischen Dienstes Bund.

Dunkelziffer der Behandlungsfehler vielfach höher

Und die Zahl der gemeldeten Fälle ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Dunkelziffer liegt deutlich höher, da nach wissenschaftlichen Studien wohl nur rund 3 Prozent aller vermeidbaren Schadensfälle nachverfolgt und statistisch erfasst werden. Überträgt man die Ergebnisse internationaler Studien zur Patientensicherheit auf Deutschland, so werden jedes Jahr 5 Prozent der stationär behandelten Patientinnen und Patienten durch vermeidbare Behandlungsfehler geschädigt. Das wären mehr als 800.000 Betroffene. Die Kosten für erneute Eingriffe, Invalidität, Pflegebedürftigkeit oder gar Tod werden auf 15 Prozent der Krankenhauskosten geschätzt – das entspricht einem Betrag von 15 Milliarden Euro.

Um die Patientensicherheit zu erhöhen, sollten nach Auffassung des Medizinischen Dienstes Ärzte und anderer Gesundheitsfachkräfte verpflichtet werden, Patienten sofort zu informieren, wenn etwas schiefgelaufen ist. Außerdem sollte mehr Prävention betrieben werden. „Mehr Investitionen in Patientensicherheit sollten als Investition in Qualität, Effizienz und Vertrauen betrachtet werden“, sagt Prof. Dr. Reinhard Busse von der Technischen Universität Berlin. „Das Unterlassen von Fehlervermeidung kostet ein Vielfaches – in Geld, aber vor allem in vermeidbarem menschlichem Leid.“