Das Rote Rathaus in Berlin-Mitte. 
Das Rote Rathaus in Berlin-Mitte.  Foto: Wächter

Diesmal ist es noch gut gegangen. Michael Müller ist nicht mit dem Coronavirus infiziert. Der Test, den der Regierende Bürgermeister am Mittwoch hatte machen lassen, fiel negativ aus, entsprechend groß war die Erleichterung im Roten Rathaus.   Ein anderes Ergebnis hätte eine Kettenreaktion auslösen können.

Angesichts der rasant steigenden Zahl von Erkrankten, Infizierten oder nur Isolierten wird die Frage immer drängender, was passiert, wenn die beiden wichtigsten Säulen des politischen Lebens in Berlin – Abgeordnetenhaus und Senat – gleichzeitig ausfallen in einer Lage, in der täglich Entscheidungen getroffen werden müssen. Noch vor ein paar Tagen war es leicht, ein solches Szenario wegzuwischen. Und selbst als es am Mittwoch in den Bereich des möglichen rückte, wurde es ignoriert. Gerade erst hatten sich Müller, weitere Senatoren sowie Parlamentarier mit dem zwischenzeitlich positiv getesteten israelischen Botschafter getroffen. Plötzlich war nicht klar, wer sich angesteckt haben könnte. Plötzlich stand die Frage im Raum: Was ist wenn …?

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Das sei kein Problem, erklärte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) noch am  Mittwochabend dem RBB: „Selbstverständlich ist der Senat handlungsfähig.“ Das bleibe auch so, wenn es einen Positiv-Test gibt. Man könne auch Telefonkonferenz einrichten. Zudem verlaufe die Krankheit meist recht milde, so dass der Betroffene wohl weiterarbeiten könnte. Sicherlich können sich die elf Senatsmitglieder lange Zeit mittels Technik verständigen, selbst wenn sie sich nicht treffen dürfen. Das setzt allerdings voraus, dass dies gesundheitlich überhaupt möglich ist.

Beim Abgeordnetenhaus ist es anders. Es tagt per Definition öffentlich. „Ein Parlament, zu dem es keine Öffentlichkeit gibt, ist kein Parlament“, sagt Daniel Wesener, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, und damit für das Funktionieren des Hohen Hauses mitzuständig.

Nun ist in der Krise der Begriff Öffentlichkeit schon stark eingeengt worden. Die Fraktionen haben sich darauf geeinigt, keine Gäste mehr in den Plenarsaal zu lassen, um Ansteckungsrisiken zu minimieren. Einzig Pressevertreter dürfen noch rein. Dennoch droht dem Parlament der Kollaps. Laut Landesverfassung muss mehr als die Hälfte anwesend sein, um beschlussfähig zu sein. Bei derzeit 160 Abgeordneten sind das mindestens 81. Ob das nächsten Donnerstag erreicht wird, wenn die in dieser Woche ausgefallene Plenarsitzung nachgeholt werden soll, ist nicht sicher.

Vorstoß für Notparlament gescheitert

Was also tun? Noch am Dienstag war ein Vorstoß gescheitert, per eiliger Verfassungsänderung ein Notparlament zu etablieren, das sehr viel kleiner sein könnte. Eine Mindestanzahl gibt es dabei übrigens nicht. Verfassungsrechtler halten selbst eine Zahl von 30 für ausreichend. Dennoch gab es in allen Fraktionen Bedenken gegen eine Verfassungsänderung im Hauruckverfahren. Am Ende wollte niemand eine dafür notwendige Zweidrittelmehrheit erzwingen.

Grünen-Politiker Wesener gehört zu den Skeptikern. „Es besteht keine unmittelbare Gefahr“, sagte er der Berliner Zeitung. Dennoch plädiert er für eine Änderung der Geschäftsordnung des Parlaments. So ließe sich etwa das Pairing vereinbaren. Das ist in angelsächsischen Parlamenten eine Verabredung darüber, dass selbst bei Personalknappheit die Mehrheitsverhältnisse gewahrt bleiben. Bedeutet: Wenn bei einer Fraktion also ein Drittel ausfällt, lassen die anderen ebenfalls ein Drittel zu Hause.

Im Abgeordnetenhaus kann so ein Verfahren funktionieren. Beim Senat muss nur ein Mitglied in der Lage sein, „gegebenenfalls vom Krankenbett aus die Amtsgeschäfte zu führen und Unterschriften zu leisten, die nur ein Senatsmitglied leisten darf“, heißt es aus der Senatskanzlei.