Protest eskaliert

Wedding: Wut, Tränengas und ein linker Abgeordneter im Polizeigriff

600 Demonstrierende wollten gegen Rüstungsproduktion im Berliner Humboldthain protestieren – am Ende flogen Fäuste, es gab Festnahmen und Verletzte.

Author - Berliner KURIER
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Der Abgeordnete Cem Ince beschwerte sich über den Polizeieinsatz auf Instagram.
Der Abgeordnete Cem Ince beschwerte sich über den Polizeieinsatz auf Instagram.dts/imago

Was als lautstarker, aber friedlicher Protest gegen den Rüstungskonzern Rheinmetall begann, endete in Geschrei und heftigen Rangeleien. Rund 600 Menschen waren am Sonntag in Berlin-Wedding auf die Straße gegangen, um gegen die geplante Waffenproduktion im Humboldthain zu demonstrieren. Aufgerufen hatten die Kleinpartei Mera25, Anwohner und diverse Bewegungen. Doch der Protestzug kam nicht weit – auf der Müllerstraße stoppte die Polizei den Aufzug vorzeitig.

Nach Angaben der Einsatzkräfte eskalierte die Lage genau dort: Es kam zu Angriffen auf Polizisten, Widerstand, versuchter Gefangenenbefreiung und dem Rufen verbotener Parolen im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt – teils sogar von Ordnern und Versammlungsleitern. Die Bilanz: 30 Festnahmen, 28 Strafanzeigen und sechs leicht verletzte Beamte.

Linken-Politiker wurde in Wedding von der Polizei festgenommen

Auch ein Bundestagsabgeordneter geriet in die Auseinandersetzung: Der niedersächsische Linken-Politiker Cem Ince, als parlamentarischer Beobachter vor Ort, wurde von der Polizei festgenommen. Ihm wurde vorgeworfen, Einsatzkräfte attackiert zu haben. Videos im Netz zeigen, wie er abgeführt wird – für viele ein Beleg für überzogene Polizeigewalt.

Ince selbst schilderte später auf Instagram, er sei trotz Kennzeichnung gewaltsam mit Schlägen ins Gesicht aus der Menge gezogen worden. Kurz darauf kam er wieder frei – nachdem die Beamten seine Identität festgestellt hatten.

Gewerkschaft der Polizei reagierte empört

Die Gewerkschaft der Polizei reagierte empört. Sprecher Benjamin Jendro nannte es scheinheilig, gegen Krieg zu demonstrieren und dabei demokratische Grundsätze mit Füßen zu treten. Die Polizisten hätten „vorbildlich“ gehandelt und den Abgeordneten sofort freigelassen, nachdem klar war, wer er ist, berichtet die Berliner Morgenpost.

Linkenchefin Ines Schwerdtner sprach dagegen von einem alarmierenden Trend zunehmender Polizeigewalt auf Demonstrationen – auch gegenüber Abgeordneten. Man werde die Fälle prüfen und das Demonstrationsrecht weiter verteidigen, schrieb sie auf X. Die Auseinandersetzung rückt erneut die Rolle sogenannter parlamentarischer Beobachter in den Fokus. Offiziell gibt es für diese Funktion keine rechtliche Grundlage – sie dient eher als politische Kontrollinstanz, um Polizeieinsätze auf Demos zu dokumentieren. Eingreifen dürfen Beobachter aber nicht. Trotzdem geraten sie immer wieder selbst in Konflikt mit der Polizei.