KURIER-Reporter verzweifelt : Corona-Krise: Der harte Kampf um einen Termin beim Bürgeramt
KURIER-Reporter Christian Gehrke muss seine Wohnung melden – und braucht zudem einen neuen Personalausweis. Doch seit der Krise laufen die Ämter auf Sparflamme.

Wir sind umgezogen, leben seit Februar in einer neuen Wohnung. Eigentlich hätte ich die Adresse schon lange beim Bürgeramt ummelden müssen. Doch das geht momentan nicht. Einen neuen Personalausweis bräuchte ich auch. Der alte läuft nämlich Ende Juli ab und wir, meine Freundin, meine Tochter und ich, wollen im September verreisen. Doch es ist derzeit nicht möglich, einen neuen Ausweis zu beantragen. Bisher hatte ich keinen Erfolg
Im Netz unter www.service.berlin.de sind keine Termine frei. Alles steht auf rot und das heißt: Alle Termine sind ausgebucht. Das Bürgertelefon 115, das in normalen Zeiten half, ist jetzt entweder besetzt oder tot. Berlins Bürgerämter scheinen mit dem Coronavirus infiziert zu sein. Das Virus ist die Ursache für die Situation.
Wer nach dem Thema bei Facebook sucht oder fragt, findet sofort Gleichgesinnte. Die Nummer des jeweiligen Bezirksamts recherchieren und direkt anrufen, nicht die 115. So lautet ein Tipp. Ganz früh am Morgen die 115 wählen, lautet ein anderer. Ein Ratschlag ist sogar, kurzzeitig nach Brandenburg zu ziehen und dort alles zu regeln. Doch geht das eigentlich? Manche hätten nach langem Warten doch einen Termin bekommen, sagen sie. Denn manchmal werden im Netz kurzfristig Termine frei. Ich höre von anderen Berlinern, die sich einen freien Tag nehmen und dann zu Fuß ins Bürgeramt gehen. Um vor Ort mit viel Glück spontan dranzukommen. Ich denke, so werde ich es auch tun müssen.
Mitarbeiter weiter im Homeoffice
Nach einem Bericht der „Morgenpost“ ist der Ansturm auf die Bürgerämter derzeit gewaltig. Denn zur Zeit des Lockdowns ist vieles liegengeblieben. Beim Bürgertelefon soll es letzten Montag über 12.000 Anrufe gegeben haben. Der Normalbetrieb – vor Corona also – ist noch nicht wiederhergestellt. Es gibt Mitarbeiter, die zur Risikogruppe gehören und zurzeit im Homeoffice verweilen. Das andere Problem: Um volle Warteräume und lange Schlangen zu vermeiden, bleibt das Terminangebot derzeit trotz vorhandener Mitarbeiter weiter eingeschränkt. Die Verwaltung hat inzwischen in einigen Punkten reagiert: Der Berlinpass beispielsweise gilt momentan unbeschränkt weiter, auch wenn er abgelaufen ist.
Berlin hat seit 2016 eine eigene Staatssekretärin für IT. Sie heißt Sabine Smentek (SPD), ich habe sie als freundliche Person in Erinnerung. Doch irgendwie erreiche ich sie nicht. Ich rufe sie an, schreibe ihr eine SMS. Keine Antwort. Stefan Ziller, Digitalexperte bei den Berliner Grünen, schätzt ein: „Das systematische Problem in den Bürgerämtern, das wir vor Corona hatten, ist nicht gelöst worden und hat sich dann in der Pandemie in den Bezirken noch mal verstärkt.“ Zur jetzigen Reisezeit im Sommer sei das einfach ungünstig.
Ab 30. Juli wird mein Personalausweis nicht mehr gültig sein. Dann muss ich immer meinen neuen Reisepass mitnehmen. Den habe ich zum Glück vor Corona beantragt.