Die Schorfheide ist ein beliebtes Urlaubsgebiet. Ihre weiten Wälder, Wiesen und Felder laden geradezu zum Wandern ein. Doch die Idylle trügt in dem brandenburgischen Revier, in dem einst auch DDR-Regierungschef Erich Honecker mit seinen Genossen jagte. Denn mitten in der Schorfheide geht nun in der Gemeinde Althüttendorf die Angst um – vor dem Wolf.
Zuerst wollte man gar nicht so sehr darüber reden. Nachdem aber Mario Woelk aus dem Nachbardorf Klein Ziethen öffentlich gemacht hatte, dass 15 seiner Sika-Hirsche vom Wolf gerissen wurden, sprechen nun auch immer mehr Bürger aus Althüttendorf über ihre Erlebnisse mit dem Raubtier. So wurde in der Nacht vom 24. auf den 25. Oktober auf dem Gelände des alten Ferienlagers ein Schaf von Maik und Mandy Hinz gerissen. Glück im Unglück: Zwei weitere Schafe überlebten den Wolfsangriff.

Das Ehepaar wohnt ein paar Straßen weiter von dem Gelände und wurde von Bewohnern benachrichtigt, die direkt neben dem Ferienlager am Ortsausgang ihr Heim haben. „In dem Haus leben vier Personen. Der Wolf verliert immer mehr die Scheu vor dem Menschen“, stellt Maik Hinz fest. „Für den Rissgutachter war sofort klar, hier hat der Wolf erneut zugeschlagen!“
Die beiden Schafe haben die Hobbyzüchter nun vom Ferienlager-Gelände zu sich geholt. Dort haben sie noch eine Weide, auf der sich eine Dammwild-Gruppe mit 43 Tieren befindet. Aber das Ehepaar Hinz hat Angst, dass jetzt der Wolf hier zuschlägt.

Mitten auf dem Radweg stand der Wolf da
Angst hatte auch Marian Ebert, der gerne mit seinem E-Geländerad durch die Schorfheide fährt. Im Mai war er auf dem Radweg am Ortsausgang von Joachimsthal in Richtung Wald unterwegs. Er meinte in 100 Meter Entfernung einen Hund zu sehen, der seltsam groß war.
„Als ich bis auf zehn Meter heranfuhr, sah ich, dass es ein Wolf war. Zum Umkehren war es zu spät. Ich trat voll in die Pedalen, der Wolf blieb einfach stehen“, sagt Marian Ebert. „Am nächsten Tag fuhr ich da noch einmal lang und sah da gleich zwei Wölfe. Panisch drehte ich um und fuhr wieder zurück.“

Einst galt er in der Mark als ausgestorben. Nun ist Brandenburg wieder Wolfsland. 47 Rudel leben in dem Bundesland – so viele wie nirgendwo anders in Deutschland. So mancher findet die Rückkehr nicht erfreulich. Man fordert heftig den Abschuss der Wölfe. Zu gefährlich nahe kämen die Tiere den Ortschaften.

Dass die Wölfe dabei immer mehr die Scheu vor dem Menschen verlieren, berichtet auch Karl Beyer, dessen Schafherde gleich zweimal vom Wolf attackiert wurde. Zunächst im Januar – und dann schlug er noch einmal vier Wochen später zu, riss fünf Schafe.
Das besondere Problem: Beyers Weide grenzt an den Kindergarten von Althüttendorf! „Sicherlich war es ein Wolf“, behauptet Karl Beyer. Er schimpft: „Zur Sicherheit wurden DNA-Proben genommen. Das Ergebnis ist auch nach über neun Monaten noch immer nicht da!“

Und genau darin sieht die Molekularbiologin Dr. Ulrike Kleineberg ein großes Problem. Das Ergebnis einer DNA-Probe könnte nach einem Tag vorliegen. Sie vermutet, dass die Bevölkerung politisch durch das Umweltamt über das wahre Ausmaß von Wolfsattacken nicht in Kenntnis gesetzt werden soll.
Kleineberg selber hält im Althüttendorfer Ortsteil Neugrimnitz 15 Schafe. Auch dort schlug der Wolf zu. Zwei Schafe wurden gerissen und vier verletzt. Das Kamerunschaf Lieselotte und das Wollschaf Cooki erlitten einen Kehlbiss, den sie überlebten.
Die Angst vor dem Wolf: Tierhalter fordern Hilfe von der Politik

Kleineberg wirft der Politik vor, einen falschen Fokus im Wolfsmanagement vor. Aus ihrer Sicht werden nicht die Wölfe, sondern die Besitzer von Nutztieren reglementiert. Weidetierhaltern werden teure und in Einzelfall oft gar nicht umsetzbare „Mindestanforderungen an den Herdenschutz“ abgefordert.
Nur überspringt der Wolf inzwischen auch mehrfach elektrifizierte Zäune. In ihrem Fall entfällt jeglicher Schadensersatz, weil der Untergrabschutz an ihrem vom Wolf übersprungenen 1,70 Meter hohen Zaun fehlte. Das erweckt bei Kleineberg den Eindruck von viel Bürokratie, aber nicht von Hilfe. So werde die Akzeptanz für den Wolf nicht gefördert.

„Ich bin keineswegs gegen den Wolf, er kann meinetwegen auch im Wald leben“, meint Ulrike Kleineberg. „Aber nicht in Dorfnähe. In anderen Ländern mit stabiler Wolfspopulation werden Exemplare, die einer Ortschaft zu nahe kommen, abgeschossen, was die lernfähigen Wölfe auf Abstand hält. Aber hier in der Schorfheide verlieren die Wölfe immer mehr die Angst vor dem Menschen und werden so zur Gefahr.“
Diese Aussagen kann Thilo Matteit nur unterstreichen. Er ist Jäger und zu seinem Revier gehört die Kieskuhle. Als er vor drei Jahren sein Revier übernahm, wurde dort ein Wolf gesichtet. Mittlerweile leben dort drei Wölfe fest. Wie er sagt, haben die Mitarbeiter dort richtige Angst. Aber er darf nichts machen, weil die Wölfe unter Artenschutz stehen.
Er fordert von der Politik, endlich zu handeln, bevor ein Mensch vom Wolf angegriffen wird. „Der Wolf untersteht der Umweltschutzbehörde. Das halte ich für falsch“, kritisiert Thilo Matteit. „Als Erstes muss der Wolf in das Jagdrecht aufgenommen werden. Dann müssen einzelne Wölfe abgeschossen werden, damit seine Artgenossen wieder Respekt vor dem Menschen haben.“ ■