Ein Verbrechen schockiert Berlin. Ein junger Mann (19) aus einer Flüchtlingsunterkunft wird auf offener Straße hingerichtet. Am helllichten Tag. Die Täter können fliehen. Zurück bleiben schockierte Anwohner.
Die Ermittlungen zu dem mutmaßlichen Mord in Berlin-Spandau laufen auf Hochtouren. Der oder die Täter seien auf der Flucht, hieß es am frühen Dienstagmorgen aus dem Lagezentrum der Polizei. Auch zum Hergang der Tat im Stadtteil Falkenhagener Feld und zu den Hintergründen gibt es noch viele offene Fragen. Einzig die Gewerkschaft der Polizei äußert einen klaren Verdacht, was hinter dem brutalen Verbrechen stecken könnte.
Am Montag waren laut Polizei gegen 15.20 Uhr mehrere Notrufe eingegangen, worauf die Beamten mit zahlreichen Einsatzkräften zum Tatort an der Straße Im Spektefeld/Hauskavelweg eilten. Dort fanden sie einen leblosen Mann auf dem Gehweg, eine Reanimation blieb erfolglos.

Aus einem fahrenden Auto heraus erschossen?
Die Polizei geht von einem Tötungsdelikt aus, eine Mordkommission übernahm den Fall. Zu Details hielten sich die Beamten aber bedeckt. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sollen Schüsse gefallen sein, womöglich wurde aber auch eine Stichwaffe eingesetzt. Nach Recherchen der Bild soll das Opfer auf dem Bürgersteig aus einem fahrenden Auto heraus erschossen worden sein. Anwohner wollen nach diesen Angaben mindestens zwei Schüsse gehört haben. Rund um den Tatort befinden sich Ein- und Mehrfamilienhäuser, eine Schule und ein Supermarkt.
Eine Polizeisprecherin machte am Abend keine Angaben zur Todesursache des Mannes und damit zur Frage, welche Waffen eingesetzt wurden. Das Tatgeschehen und die Hintergründe des mutmaßlichen Mordes seien unklar, es werde in mehrere Richtungen ermittelt. Auch zur Identität des Opfers lagen zunächst keine Angaben vor.
Polizei und Staatsanwaltschaft riefen mögliche Zeugen auf, sich zu melden und gegebenenfalls Fotos oder Handy-Videos zur Verfügung zu stellen. Dazu wurde am Abend ein spezielles Internetportal freigeschaltet.

„Diese öffentliche Hinrichtung zeigt ... “
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sprach von einer „Hinrichtung“ mit Schüssen und verortete die Täter im Milieu der organisierten Kriminalität. „Diese öffentliche Hinrichtung heute in Spandau zeigt uns, zu was Menschen in der organisierten Kriminalität fähig sind“, erklärte der Sprecher des Berliner GdP-Landesverbandes, Benjamin Jendro. Bei Machtkämpfen innerhalb der organisierten Kriminalität sei Waffengewalt keine Ausnahme, ein Menschenleben nichts mehr wert.
Nach Angaben Jendros gab es in den letzten Wochen im Bezirk Spandau verstärkt Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen verfeindeter Großfamilien, sogenannter Clans. „Jeder weiß, dass man in diesen Bereichen auch als junger Kerl zu vielem bereit ist, um sich Respekt, Anerkennung und Macht zu verdienen.“ Der Begriff Clankriminalität ist umstritten, weil er nach Ansicht von Kritikern Menschen mit Migrationshintergrund alleine aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit und Herkunft stigmatisiert und diskriminiert.
Die Staatsanwaltschaft widersprach am Dienstagmorgen der Vermutung, dass es sich womöglich um eine Tat im Clan-Milieu handelt. „Wir gehen von einer Beziehungstat aus, haben aber keine Hinweise auf eine Tat mit Clan-Bezug“, so ein Sprecher. Weitere Details nannte er nicht, auch weil der oder die Täter flüchtig sind.
Der Tatort wurde mit Flatterband abgesperrt. Am Abend waren Fachleute der Kripo sowie der Spurensicherung in weißer Schutzkleidung im Einsatz, ebenso zahlreiche weitere Polizisten. Die Polizei machte auch Luftaufnahmen per Drohne. Notfallseelsorger waren zur Betreuung geschockter Augenzeugen und Einsatzkräfte vor Ort. ■