Ein Hauch von Fashion Week wehte am Donnerstagabend durch die City West von Berlin. Der Streamingriese Disney+ hatte zur Deutschlandpremiere der neuen Miniserie „Becoming Karl Lagerfeld“ in den Zoo-Palast geladen. „Good Bye, Lenin!“-Star Daniel Brühl (45) spielt den verstorbenen Modeschöpfer mit psychologischer Tiefe und fiebriger Eleganz.
Daniel Brühl ist Karl der Große! In Südfrankreich, wo die Miniserie „Becoming Karl Lagerfeld“ im April bei den „Canneseries“ uraufgeführt wurde, gab es bereits viel Applaus für die Produktion von Disney+. Ebenso in Paris. Dort feierte Brühl mit seiner Crew in dieser Woche Premiere. Natürlich umjubelt.
Am Donnerstagabend lief der mit Spannung erwartete Sechsteiler (Regie: Jérôme Salle und Audrey Estrougo) dann auch im Zoo-Palast Berlin – vor prominenten Gästen. Mit dabei waren die Modemacher Dawid Tomaszewski und Marina Hoermanseder, das Model Franziska Knuppe, die Schauspielerin Katharina Schüttler und die Influencerin Cathy Hummels, die ganz in Lagerfeld gekleidet war („Das ist eine Hommage an ihn!“). Auch viele andere hatten sich für die Deutschlandpremiere extra in Schale geworfen – von schrill bis elegant. Manche von ihnen tanzten wild durchs Kino-Foyer, dort holte ein DJ 70er-Jahre-Hits aus der Mottenkiste.
Karl Lagerfeld und seine frühen Jahre in Paris
Die Disney+-Miniserie über Karl Lagerfeld, der sich bei seinen Entwürfen oft vom Rokoko und Barock inspirieren ließ, basiert auf der Biografie „Kaiser Karl“ von der französischen Journalistin Raphaëlle Bacqué. Sie startet am 7. Juni und dreht sich um die frühen Pariser Jahre des späteren Modezaren mit Zopf. In der Stadt an der Seine macht Lagerfeld zu Beginn der Siebzigerjahre Prêt-à-porter (tragefertige Kleidermode) und kämpft gegen seinen Erzrivalen, den von ihm bewunderten Haute-Couture-König Yves Saint Laurent.

Gleichzeitig verliebt er sich kopflos in den Dandy Jacques de Bascher (gespielt von Théodore Pellerin) und versucht dem Modehaus Chloé von Rosemarie Le Gallais mehr Glanz und Eleganz zu verleihen. Lagerfeld ist ein begnadeter Zeichner, damals noch ohne Zopf, in der Branche anerkannt, aber die Öffentlichkeit nimmt kaum Notiz von ihm.
Daniel Brühl hatte sich vor Drehbeginn monatelang in die Welt des legendären Modeschöpfers aus Hamburg reingekniet: Lagerfelds Lieblingsbücher gelesen (Proust), dessen Lieblingsfilme gesehen. Er nahm dessen Haltung an, lernte Französisch mit deutschem Akzent sprechen. Alles ganz wunderbar. Zur Freude auch der Produzenten Isabelle Degeorges und Arnaud de Crémiers, die nebenbei verrieten, Brühl sei eines Tages auf sie zugekommen und habe überaus mutig verkündet: „Niemand außer mir kann diese Rolle spielen.“ Nun denn, am Ende spricht der Erfolg Bände.
Daniel Brühl von Karl Lagerfeld fasziniert
Der Dresscode des gewittrigen Premierenabends am Donnerstag in Berlin lautete: „Come in Style – Summer Glam“. Entsprechend trug Brühl eine elegante beigefarbene Tuchhose mit dunklem Jackenhemd. Ein bisschen angeschlagen wirkte er. Er sagte heiser: „Ich habe in Paris meine Stimme verloren.“ Trotzdem musste er Rede und Antwort stehen, alle zerrten an ihm rum und wollten ein gemeinsames Foto mit dem Weltstar.
Brühl erklärte dann auch, was ihn an Karl Lagerfeld fasziniert: „Ich habe eine Schwäche für Leute, die ihr Leben aufhübschen. Ich bin nämlich auch so einer.“ Für einen Schauspieler sei diese Rolle einfach ein großes Geschenk. Lagerfeld erinnere ihn an ein Zehntausend-Teile-Puzzle, mit dem er (Brühl) immer noch nicht fertig sei.

Von den 40 Outfits, die Brühl in der Serie trägt, hat er übrigens kein einziges mit nach Hause genommen. Wo soll er diese Stücke auch tragen? Nur den klassischen Lagerfeld-Fächer, den hat er stibitzt.
Einen kraftvollen Auftritt als Marlene Dietrich hat übrigens die Schauspielerin Sunnyi Melles („Triangle of Sadness“). Vor der Dietrich wird Lagerfeld ganz klein. Zumindest in der Miniserie. Starke Frauen haben dem Créateur zeitlebens offenbar Respekt eingeflößt. Seine Mutter hatte ihn entsprechend dressiert. Zum Nachteil gereichte ihm das nie.
Die sehenswerte Produktion erscheint etwas mehr als fünf Jahre nach dem Tod von Karl Lagerfeld. Laut Disney+ haben mehr als 2200 Statisten mitgewirkt, und es sollen über 40 unterschiedliche Szenenbilder und mehr als 3000 Kostüme zum Einsatz gekommen sein. ■