Bilder aus der DDR: So sah der Osten „auf Arbeit“ aus
Der Fotograf Günter Krawutschke hielt die untergegangene Arbeitswelt in einzigartigen Bildern fest. Jetzt ist ein Fotoband erschienen.

Wie sah der Osten aus, wenn er auf Arbeit war? Also der proletarische Osten, Arbeiter und Bauern, Frauen und Männer in Fabriken, bei der Ernte, in der Werkstatt, am Fließband? Er sah aus wie die Fotografien von Günter Krawutschke, der jahrzehntelang auch für die Berliner Zeitung dort unterwegs war, wo die herrschende Klasse ihre Schichten schob. Das sind ehrliche Bilder.
Ungeschönt, in der Tat. Aber sie zeigen schöne Menschen, auch wenn sie schmutzig, verschmiert, müde, angestrengt oder mürrisch aussehen. Sie sind echt. Sie haben Würde und Witz. Und jetzt haben sie Platz gefunden in einem wundervollen Fotoband mit dem Titel „Gesichter der Arbeit. Fotografien aus Industriebetrieben der DDR“ (be.bra Verlag).

Die hier ausgewählten Bilder stammen aus verschiedenen Kapiteln des Buches und zeigen eine Welt, die es in vergleichbaren Betrieben der alten BRD nicht gab: die der Frauen inmitten der Männer. Selbstbewusste Personen, die ihren Mann standen, wie man ganz treffend sagte. Und man sieht, dass es da manchmal krachte oder knisterte.
Da trat nicht das unterwürfige Schreibmädchen zum Diktat an – da wusste die Kollegin ziemlich genau, was sie konnte und wollte. Genauso wie Krawutschkes Fotos die Menschen zeigen, so habe ich sie gesehen während meines Unterrichtstags in der Produktion (UTP), den ich wie alle Schüler in der DDR von der siebten Klasse an Woche für Woche absolvierte. Ich ging ins CKB-Chemiekombinat Bitterfeld. Beim Durchblättern des Bandes dachte ich: Das sind meine Leute.

Wahrscheinlich störten mich deshalb die technisch-unterkühlten Begleittexte von Joseph Hoppe und Peter Paul Schwarz, stellvertretender Direktor der Stiftung Technikmuseum der eine, Direktionsassistent der andere. Sie haben dieselben Bilder gesehen, aber wohl den Zugang zu ihren subtilen, vielschichtigen Botschaften nicht recht gefunden. In einem Text ist von den „in aller Regel streng abgeschotteten Betrieben“ die Rede.
Weiß der Autor nicht, dass allein die jungen Leute im UTP nach Millionen zählten? In einem anderen, von Gänsefüßchen durchsetzten Text stehen Sätze wie: „Die ,Gesichter der Arbeit‘ sind spannungsreich verflochten mit der ,Sozialfigur des Arbeiters‘, die in der DDR zum ,Idealbild der sozialistischen Lebensweise‘ erhoben worden ist.“ Hä? So schwurbelte nicht mal der Betriebsparteisekretär. Egal.

Lieber schnurstracks eintauchen in Krawutschkes Bilder in Schwarz-Weiß, dazwischen tausendfach Grautöne. Der Kultursoziologe Bernd Linder liefert wichtiges Hintergrundwissen zur SED-gesteuerten Presselandschaft und -fotografie der DDR sowie zum Zustandekommen der Fotos.
Der gewitzte Fotograf Krawutschke hat nämlich nach Erledigung der offiziellen Aufträge immer noch etwas „nebenbei geguckt“, wie er selber sagt. Das Technikmuseum hat das Werk in sein Archiv übernommen. Eine Ausstellung fand viel Resonanz, und dem Bildband ist ein Riesenpublikum zu wünschen. Die Bilder lassen den Osten reden und sprechen Bände:





