Wohnungseigentümer wehren sich gegen die neue Reform, die den Verwaltern neue Befugnisse etwa bei Instandsetzungen zubilligt. 
Wohnungseigentümer wehren sich gegen die neue Reform, die den Verwaltern neue Befugnisse etwa bei Instandsetzungen zubilligt.  Foto: imago images/Eckhard Stengel

Uwe Hellwig ist alarmiert. „Das kann man so nicht durchgehen lassen“, sagt der 64-jährige Köpenicker. Seit 22 Jahren lebt er schon in einer Eigentumswohnung. Als Mitglied des Verwaltungsbeirats prüft er die Arbeit des Verwalters seiner Wohnanlage. Beispielsweise, ob der Auftrag für die Schneebeseitigung korrekt vergeben oder eine Instandsetzung ordnungsgemäß abgerechnet wurde.

Nicht durchgehen lassen will Hellwig den Vorschlag aus dem Bundesjustizministerium, das 1951 erlassene Wohnungseigentumsgesetz so zu ändern, dass die Rolle des Verwalters zulasten der Eigentümer gestärkt wird. „Die Stellung des Verwalters ist schon jetzt relativ stark“, sagt Hellwig. „Er sucht die Firmen und Handwerker aus, die die Aufträge der Eigentümer ausführen sollen.“ Zum Beispiel, wenn es um die Sanierung der Fassade oder die Pflege der Grünflächen geht.

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Nach dem Entwurf für ein „Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz“ aus dem Haus von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) soll die Stellung des Verwalters aber noch weiter gestärkt werden. „Er könnte danach wie ein Geschäftsführer der Eigentümergemeinschaft handeln, eine teure Instandsetzung beauftragen und Kredite über beispielsweise 50.000 Euro aufnehmen – und die Eigentümer müssten am Ende alles bezahlen“, sagt Hellwig.

Eigentlich wichtige Anliegen

Im Mittelpunkt der Gesetzesänderung steht eigentlich etwas ganz anderes. So soll durch die Reform jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch darauf erhalten, sich auf eigene Kosten eine Lademöglichkeit für ein Elektrofahrzeug auf dem Gemeinschaftsgrundstück zuzulegen. Erleichtert werden soll zudem der barrierefreie Aus- und Umbau der Wohngebäude, etwa durch den Anbau eines Aufzugs, sowie eine energetische Sanierung und der Anschluss ans Glasfasernetz. Denn solche baulichen Änderungen können bisher noch allzu oft verhindert werden, wenn nicht alle Eigentümer zustimmen.

„Es ist aus meiner Sicht nachvollziehbar, dass Maßnahmen mit dem Ziel der Energieeinsparung, des altersgerechten Umbaus und der Förderung der Elektromobilität leichter realisiert werden sollen, wie im Gesetzentwurf vorgesehen“, sagt Uwe Hellwig. „Aber dass die Eigentümer de facto entmachtet werden sollen, geht gar nicht.“ Vorgesehen in dem Gesetzentwurf ist nämlich, dass der Verwalter die Wohnungseigentümer „unbeschränkt“ gerichtlich und außergerichtlich vertritt.

Uwe Hellwig lebt in einer Eigentumswohnung. Er kontrolliert als Verwaltungsbeirat die Arbeit des Verwalters der Wohnanlage.
Uwe Hellwig lebt in einer Eigentumswohnung. Er kontrolliert als Verwaltungsbeirat die Arbeit des Verwalters der Wohnanlage. Foto: Thomas Uhlemann

„Wenn der Verwalter mehr Kompetenzen erhalten soll, muss in jedem Fall auch die Stellung des Verwaltungsbeirats gestärkt werden, der die Arbeit des Verwalters kontrolliert“, sagt Hellwig. „Für die Entscheidungen des Verwalters muss es deswegen eine Zustimmungspflicht des Verwaltungsbeirats geben.“ Nur dann wäre eine Ausweitung der Kompetenzen der Verwalter überhaupt denkbar. „Zugleich muss endlich der Sachkundenachweis für Verwalter eingeführt werden“, fordert Hellwig. „Denn bisher kann jeder Verwalter von Wohneigentum werden – unabhängig davon, ob er ausreichend Kenntnisse für die Tätigkeit hat oder nicht.“

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In Anbetracht der Vermögenswerte, um die es gehe, sei dies nicht akzeptabel. „Die Einführung eines solchen Sachkundenachweises ist deswegen nötig, reicht allein aber nicht aus“, sagt Hellwig. Es dürfe auch für einen Verwalter mit Sachkunde keinen Freibrief geben. „Die Machtbefugnisse der Verwalter sind deswegen zu begrenzen“, fordert der 64-Jährige. „Die Möglichkeiten des Missbrauchs sind sonst einfach zu groß.“ Hellwigs Fazit: Wenn sich an dem bisherigen Gesetzentwurf nichts ändert, kommen extreme Risiken auf die Eigentümer zu. Ähnlich wie in Österreich, wo es eine starke Rolle des Verwalters schon seit Jahrzehnten gibt. Zum Leidwesen von Verbraucherschützern.

Gesetzesentwurf „höchst problematisch“ für Bauherren-Verband

So wie Hellwig sind auch die Verbände der Wohnungseigentümer alarmiert. Der Gesetzentwurf werde „in keiner Weise den Anforderungen gerecht, die aus Eigentümer- und Verbrauchersicht an eine Reform des Wohnungseigentumsgesetzes zu stellen sind“, urteilt der Verbraucherschutzverband Wohnen im Eigentum. Und der Verband Privater Bauherren (VPB) bezeichnet es als „höchst problematisch, dass Personen ohne ausreichenden Sachkundenachweis Ausführungs- und Vertretungsorgan einer Wohnungseigentümergemeinschaft werden können“.

Der VPB fordert höhere Qualifikationen für Verwalter. Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW, ein Vermieterverband, kritisiert den Gesetzentwurf aus einem ganz anderen Grund. Dem GdW geht es zu weit, dass auch Mietern ein Anspruch auf eine Erlaubnis des Vermieters für bauliche Änderungen eingeräumt werden soll, ohne dass – wie in einer Vorgängerregelung – der Vermieter die Erlaubnis von der Pflicht zum Rückbau des ursprünglichen Zustands abhängig machen kann. Immerhin: Anlässlich der geplanten Reform hat der Verband der Immobilienverwalter Deutschland (VDIV Deutschland) ein breites Bündnis der wichtigsten Verbände aus der Immobilienbranche initiiert, das sich für die Einführung eines verbindlichen Sachkundenachweises für Immobilienverwalter starkmacht. „Die Einführung einer verbindlichen fundierten Ausbildung für Immobilienverwalter ist die logische Fortsetzung des Verbraucherschutzgedankens in der WEG-Reform“, schreiben die Verbände in einem gemeinsamen Brief.

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Die Experten in der großen Koalition zeigen sich offen für Anregungen und Kritik. Die SPD-Politiker Johannes Fechner und Michael Groß erklären, dass sie noch „Präzisierungsbedarf“ beim Gesetzentwurf sehen. „Die starke Verwalterstellung wollen wir einschränken“, kündigen die Sozialdemokraten an. Ohne Beschluss der Eigentümer solle der Verwalter „nur Maßnahmen von untergeordneter Bedeutung und ohne erhebliche Verpflichtungen für die Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) vornehmen dürfen“. Ähnlich äußert sich der CDU-Abgeordnete Jan-Marco Luczak. „Wir als Union sind Garant dafür, dass über teure und bedeutsame Angelegenheiten auch künftig die Wohnungseigentümer selbst entscheiden“, sagt er.

Koalitionsparteien noch uneins

Ursprünglich war geplant, die Reform des Gesetzes noch vor der Sommerpause zu beschließen. Das haben die Koalitionäre nicht mehr geschafft. Ziel der Koalition ist es nun, die Gesetzesreform nach der parlamentarischen Sommerpause zum Abschluss zu bringen, sagt der SPD-Abgeordnete Groß. Das heiße, dass Union und SPD auch während der parlamentarischen Sommerpause daran arbeiten. Verständigt haben sich die Koalitionäre unter anderem darauf, die Außenvertretungsbefugnis des Verwalters bei Kredit- und Grundstücksgeschäften einzuschränken. Uneins sind die Koalitionäre aber beispielsweise noch in der Frage des Sachkundenachweises. Die SPD-Politiker halten den Nachweis für gewerbliche Verwalter für „unabdingbar“, werfen der CDU/CSU aber vor, sie blockiere ihn. Das sei „ärgerlich, weil es dafür keinen nachvollziehbaren Grund“ gebe.

Der Verband Wohnen im Eigentum (WiE) sieht es positiv, dass es mit der Reform noch dauert. „Für die Eigentümer von rund 10 Millionen Wohnungen bundesweit ist das eine gute Nachricht“, sagt WiE-Chefin Gabriele Heinrich. „Wäre der Gesetzentwurf der Bundesregierung jetzt durchgekommen, hätte die an sich dringend nötige Reform mehr neue Probleme geschaffen als alte gelöst!“ Heinrich: „Wir setzen darauf, dass SPD und CDU/CSU die Chance nutzen werden, über parteipolitische Grenzen hinweg verbraucherorientierte Verbesserungen zu entwickeln, die das Wohnungseigentum bezahlbar halten und seine Attraktivität für breite Kreise der Gesellschaft steigern.“