Nach Lompscher-Rücktritt: Berlin ringt um Kurs in der Wohnungspolitik
Wirtschaft und Opposition fordern weniger Eingriffe in den Markt. Der Mieterverein warnt vor einer Abkehr von der sozialverantwortlichen Stadtentwicklung.

Nach dem Rücktritt von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) hat eine Auseinandersetzung um den künftigen Kurs in der Wohnungspolitik begonnen. Aus Wirtschaft und Opposition werden Forderungen nach einem Neubeginn mit weniger Eingriffen in die Rechte der Vermieter laut. Der Berliner Mieterverein (BMV) will dagegen am bisherigen Kurs festhalten.
„Der Rücktritt von Senatorin Lompscher darf kein Anlass für eine Abkehr von der sozial verantwortlichen Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik sein“, sagte BMV-Geschäftsführer Reiner Wild am Montag. „Im Gegenteil: Der eingeschlagene Weg des Mieterschutzes muss fortgesetzt und gemeinwohlverpflichteter Wohnbau gestärkt werden.“ Hier sei der gesamte Senat in der Verantwortung.
Der Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) bekräftigte dagegen die Forderung, den Mietendeckel bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auszusetzen. Zugleich forderte der Verband den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) auf, den Wohnungsneubau in der Hauptstadt „jetzt zur Chefsache“ zu erklären. Denn nur der Neubau von Wohnungen werde zu einer Entspannung auf dem Wohnungsmarkt in der Hauptstadt führen.
Lompscher hatte am Sonntagabend ihren Rücktritt erklärt, weil sie Bezüge aus ihrer Tätigkeit in Aufsichtsgremien der Investitionsbank Berlin, der Tempelhof Projekt GmbH und der Tegel Projekt GmbH nicht an die Landeskasse abgeführt hatte. Für 2017 hatte sie nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 7325 Euro erhalten, für 2018 waren es 8100 Euro. Pro Jahr hätte Lompscher 6135,50 Euro behalten dürfen und den Differenzbetrag im Folgejahr an die Landeskasse abführen müssen. Das hat Lompscher versäumt. Allerdings versteuerte sie die 15.425 Euro auch nicht. Sofort nach Bekanntwerden der fehlenden Abführung an die Landeskasse habe sie den Differenzbetrag überwiesen, teilte sie in ihrer Erklärung mit.
Parallel dazu habe sie durch ihr Steuerberatungsbüro ihre Steuererklärungen überprüfen lassen. „Im Ergebnis musste ich feststellen, dass versäumt wurde, in den Jahren 2017 und 2018 diese Einnahmen steuerlich geltend zu machen", so Lompscher. Daraufhin habe sie unverzüglich eine Korrektur der Steuerbescheide beim zuständigen Finanzamt beantragen lassen. „Für diese Versäumnisse trage ich persönlich die Verantwortung und entschuldige mich dafür“, so Lompscher. Sie hatte nach Angaben von Behördensprecherin Katrin Dietl darauf gewartet, dass ihr die Verwaltung mitteilt, wann sie welchen Betrag abführen soll. In der Zeit von 2006 bis 2011, als Lompscher Senatorin für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz war, sei sie im jeweiligen Folgejahr über die abzuführenden Beträge informiert worden.
Mieterverein würdigte Lompschers Leistungen
Der Mieterverein würdigte Lompscher für ihre Leistungen. „Der Berliner Senat hat noch nie eine so engagierte Verfechterin für eine soziale Stadtentwicklung in seinen Reihen gehabt“, sagte BMV-Geschäftsführer Wild. Ein großer Verdienst sei zweifellos der am 23. Februar in Kraft getretene Mietendeckel.
Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau, sagte, bislang sei Berlin beim Neubau bezahlbarer Wohnungen weit unter seinen Möglichkeiten geblieben. „Nun müssen alle Akteure an einen Tisch geholt werden, um die Hindernisse für mehr Neubau aus dem Weg zu räumen.“
CDU-Landeschef Kai Wegner sowie Unions-Fraktionschef Burkard Dregger sprachen sich dafür aus, den Senatorenposten mit einem unabhängigen Experten zu besetzen, nicht mehr mit einem Linken-Politiker. Wer wirklich auf Lompscher folgt, ist zurzeit offen. Linken-Chefin Schubert sagte, „wir beeilen uns, schnell eine Lösung zu finden“. Ziel sei, Lompschers Nachfolger am 20. August im Abgeordnetenhaus zu vereidigen.