Der Senat hat einen Hilfsfonds für Mieter beschlossen. So soll verhindert werden, dass Vermieter Kündigungen wegen Zahlungsverzugs aussprechen.
Der Senat hat einen Hilfsfonds für Mieter beschlossen. So soll verhindert werden, dass Vermieter Kündigungen wegen Zahlungsverzugs aussprechen. Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Nach dem Mietendeckel-Urteil des Bundesverfassungsgerichts soll Mietern in Not mit einem Härtefallfonds in Höhe von rund zehn Millionen Euro geholfen werden. Das hat die Landesregierung am Dienstag beschlossen, wie Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke) nach der Sitzung sagte. Die Hilfen sollen als zinslose Darlehen ausgereicht werden und sind im Regelfall zurückzuzahlen. Sollten Mieter unverschuldet nicht in der Lage sein, das Geld zurückzuzahlen, kann das Darlehen in einen Zuschuss umgewandelt und auf dessen Rückzahlung teilweise verzichtet werden.

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Zugute kommen sollen die Hilfen Mietern, deren Mietrückzahlungen nicht bereits durch Transferleistungen, Wohngeld oder andere staatliche Leistungen übernommen werden. Anspruchsberechtigt sind nach Mitteilung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Haushalte, deren Einkommen bis zu 280 Prozent der Bundeseinkommensgrenze für den sozialen Wohnungsbau beträgt.

Für einen Einpersonenhaushalt liegt die Grenze für die Hilfsleistungen bei einem Einkommen von bis zu 33.600 Euro jährlich. Mit jedem weiteren Haushaltsangehörigen erhöht sich die Einkommensgrenze. Bei Haushalten, die mehr verdienen, gehe der Senat davon aus, dass sich die Mieter selber helfen können. Die Anträge sollen bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bearbeitet werden, die Auszahlungen der Hilfen von der Investitionsbank Berlin (IBB) vorgenommen werden.

Stadtentwicklungsbehörde: In bestimmten Fällen müssen Mieter unverzüglich handeln

Das Bundesverfassungsgericht hatte den Mietendeckel in einer am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung für nichtig erklärt. Danach gelten wieder die alten Mieten, auf die sich Vermieter und Mieter vor Inkrafttreten des Mietendeckels verständigt haben. Außerdem haben die Vermieter einen Anspruch darauf, dass ihnen die Differenz von den abgesenkten Mieten zu den ursprünglich vereinbarten Mieten erstattet wird.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wies am Dienstag eindringlich darauf hin, dass die Mieter in bestimmten Fällen „unverzüglich“ handeln müssten. Zum Beispiel dann, wenn die Miete auf Grundlage des Mietendeckel abgesenkt wurde, ein Mietvertrag mit einer sogenannten Schattenmiete neu abgeschlossen oder ein Mieterhöhungsverlangen in einem bestehenden Mietvertrag aufgrund des Mietendeckels zunächst nicht wirksam geworden sei. Als Schattenmieten werden Mieten bezeichnet, die als zweite Miete neben den Mietendeckel-konformen Mieten vereinbart wurden – für den Fall, dass der Mietendeckel gekippt wird.

Um keinen ordentlichen oder außerordentlichen Kündigungsgrund zu liefern, sei „eine schnellstmögliche Nachzahlung vorzunehmen“, so die Stadtentwicklungsbehörde. Ein solcher Mietrückstand trete schon dann ein, wenn zwei Monatsraten nicht gezahlt werden oder ein Mietrückstand von mehr als einer Monatsmiete eingetreten sei. Ob eine Schattenmiete wirksam vereinbart wurde, sollte aber bei einer der kostenlosen bezirklichen Mieterberatungsstellen oder beim Mieterverein geprüft werden.

Noch keine Entscheidung zu landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften

Die Mieter seien aufgefordert, die Modalitäten einer Nachzahlung mit ihrem Vermieter zu vereinbaren, so die Senatsverwaltung. Sollte es zu keiner Vereinbarung kommen, seien die Mieter von sich aus verpflichtet, mit der nächsten Monatszahlung der Miete den Differenzbetrag auszugleichen. Stadtentwicklungssenator Scheel kündigte an, dass für Mieter eine Hotline eingerichtet werde, über die Fragen der Mieter beantwortet werden. Die Nummer konnte er in der Senatssitzung aber noch nicht angeben. Der Senat schätzt die Zahl der Betroffenen, die eine Rückzahlung der eingesparten Miete nicht aus eigener Kraft leisten können, auf rund 40.000.

Bislang gibt es keine Entscheidung darüber, ob die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften mit ihren mehr als 300.000 Wohnungen die Regelungen des Mietendeckels fortführen. „Wir sind in einem Meinungsbildungsprozess, der noch nicht abgeschlossen ist“, sagte Scheel. Der Senator erklärte, die Gerichtsentscheidung sei „alles andere als erwartet“ für den Senat gekommen. Zugleich appellierte an die Vermieter, jetzt nach „kulanten Lösungen“ zu suchen. Vorschläge von Vermieterseite, wie jetzt in Einzelfällen Kündigungen ausgesprochen werden könnten, bezeichnete Scheel als „asozial“.

Kritik von der Industrie- und Handelskammer

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) kritisiert den Senat. „Jetzt muss der Senat mit Steuergeldern Mieter retten, die aufgrund der rechtswidrigen Mietendeckel-Politik desselben Senats überhaupt erst in diese Notlage geraten sind“, sagt  IHK-Geschäftsführer Jan Eder. „Es steht außer Frage, dass den betroffenen Mietern geholfen werden muss, dennoch muss sich der Senat die Frage gefallen lassen, warum er hier zu Lasten nicht nur der Mieter, sondern zu Lasten aller Steuerzahler diesen von Anfang zum Scheitern verurteilten Irrweg gegangen ist.“

Auch Mieter, die auf Anraten der Politik die „eingesparte“ Miete für den Fall von Nachzahlungen zurück gelegt haben, würden diese Frage stellen. „Entscheidend ist jetzt, dass der Senat die richtigen Schlüsse aus dieser juristischen, wohnungsmarktpolitischen und finanziellen Pleite zieht: Wir brauchen endlich eine Neubauoffensive, die ihren Namen verdient“, so Eder.