Zumindest während der Corona-Pandemie soll niemand aus seiner Wohnung fliegen.
Zumindest während der Corona-Pandemie soll niemand aus seiner Wohnung fliegen. Foto: imago images

Berliner Mieter sollen auch in der zweiten Welle der Corona-Pandemie durch ein Aussetzen von Wohnungsräumungen vor Obdachlosigkeit geschützt werden. Dafür setzen sich die Senatsverwaltung für Soziales und die Senatsverwaltung für Justiz ein. „Aufgrund des Infektionsgeschehens in der Stadt“ und „der damit verbundenen Notwendigkeit, Quarantäne- und Isolierungsmöglichkeiten im häuslichen Bereich zu ermöglichen, erscheint es grundsätzlich nicht sinnvoll, dass Menschen aktuell Wohnraum verlieren“, stellt Staatssekretär Alexander Fischer aus der Senatsverwaltung für Soziales in einem Brief an Justiz-Staatssekretärin Daniela Brückner fest.

Gespräche mit den Sozialstadträten und der Sozialen Wohnhilfe in den Bezirken hätten ergeben, dass deren Beratungsleistung nur noch sehr eingeschränkt zur Verfügung stehe. Eine adäquate Betreuung zur Vermeidung von Wohnraumverlust oder die Vermittlung anderer Angebote sei „nicht in dem Umfang möglich“, wie dies erforderlich wäre.

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Erschwerend komme hinzu, dass vorhandene Unterkünfte für Wohnungslose „bereits jetzt bis an die Kapazitätsgrenzen ausgeschöpft“ seien, so Fischer. Eine Aussetzung von Wohnungsräumungen sei deswegen „fachlich dringend geboten“.

Justizstaatssekretärin Brückner reagierte prompt. Noch am selben Tag schrieb sie an die Präsidenten und Präsidentinnen der Amtsgerichte sowie an die Präsidenten des Landgerichts und des Kammergerichts.

Nachdem diese bereits im Frühjahr, also in der ersten Welle der Pandemie, Anordnungen getroffen hätten, um auf die damalige Situation adäquat zu reagieren, leite sie jetzt das Schreiben ihres Kollegen Fischer weiter, „damit Sie und Ihre Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher die aktuell notwendigen Maßnahmen ergreifen und angemessene Entscheidungen treffen können“, so die Staatssekretärin. Dass sie so vorsichtig formuliert, liegt an der Gewaltenteilung, die die Unabhängigkeit der Justiz garantiert. Die Politik kann nichts anordnen, sondern nur empfehlen.

Initiiert wurde der Vorstoß durch den Bundestagsabgeordneten Pascal Meiser (Linke). Der hatte sich bereits im November vergangenen Jahre gegenüber Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) dafür stark gemacht, Zwangsräumungen in der Pandemie wie im Frühjahr auszusetzen. Im November war der Vorschlag zunächst nicht aufgegriffen worden.

„Dass die Justizverwaltung nun doch ihre Vorbehalte gegen ein erneutes Aussetzen von Zwangsräumungen aufgegeben hat, war dringend notwendig und ist deshalb sehr zu begrüßen“, sagt Meiser jetzt. „Angesichts der aktuellen Pandemie-Lage muss alles dafür getan werden, Mieterinnen und Mieter vor der Wohnungslosigkeit zu schützen.“ Er hoffe, so Meiser, „dass die Berliner Amtsgerichte sich dieser Einschätzung anschließen und vorerst auf weitere Zwangsräumungen verzichten."

Im Jahr 2019 wurden in Berlin laut Bundesjustizministerium 4299 Vollstreckungsaufträge an Gerichtsvollzieher auf Zwangsräumung erteilt. Dabei wird nicht unterschieden, ob sich die Räumungsaufträge auf Wohnraum oder Geschäftsräume beziehen. Ebenfalls nicht erfasst wird, ob die Räumungsaufträge tatsächlich durchgeführt wurden. Wie viele Wohnungen tatsächlich geräumt wurden, ist also unklar. Zahlen für 2020 liegen noch nicht vor.

Der Senat hatte bereits im Dezember 2020 den zu Beginn der Pandemie beschlossenen besonderen Mieterschutz bis Ende März 2021 verlängert. Mieterhöhungen, sowohl bei Wohnungs- als auch bei Gewerbemietern der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, bleiben danach bis zum 31. März 2021 ausgeschlossen.

Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sind zudem aufgefordert, bei Corona-bedingten Mietrückständen gemeinsam mit ihren Mietern nach individuellen und kulanten Lösungen zu suchen. Kündigungen wegen Zahlungsrückständen sowie Räumungen soll es nicht geben. Dies gilt aber nur für die rund 325.000 Wohnungen der landeseigenen Gesellschaften und für die Berlinovo.

Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Sozialverbänden und Mieterverein hatte vom Senat Ende vergangenen Jahres  einen noch weitergehenden Schutz verlangt. Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins forderte, den Schutz vor Wohnungskündigungen aufgrund von Mietzahlungsschwierigkeiten auszuweiten und Mieterhöhungen „mindestens bis Ende 2021“ auszuschließen.

Auch Gewerbetreibende will der Mieterverein besser schützen. Durch die pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen seien viele Gewerbetreibende in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Gewerbemieten sollten daher „endlich gekappt und bei Corona-bedingten Zahlungsschwierigkeiten gesenkt werden können“, so Reiner Wild.