Genossenschaft verlangt 51.500 Euro von Geringverdienern, die eine Wohnung wollen
FDP-Politiker kritisiert Genossenschaft „Diese eG“: Deren soziale Wohltaten würden nur vorgetäuscht

Die Genossenschaft „Diese eG“ hat sich guten Taten verschrieben: Dem Kauf von Häusern, die zum Verkauf und deren Wohnungen beispielsweise vor der Umwandlung in Eigentum stehen. Man wolle verhindern, dass Mieter vertrieben werden. Gleichzeitig dürfen weder andere Genossenschaften oder eine der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften zur Übernahme bereit sein. Die finanzielle Basis der Anfang 2019 gegründeten „Diese eG“ für die selbst gesteckten Ziele war aber dürftig: In der letzten Legislaturperiode bedurfte es wilder staatlicher Finanzjonglage, um die Genossenschaft vor der Pleite zu retten. Die hat ausweislich ihrer Wohnungsangebote weiter enormen Finanzbedarf.
Ein Wohnungsangebot auf ihrer Internetseite lässt aufhorchen: 885,34 Euro Warmmiete für 102 Quadratmeter, das klingt für Berliner Verhältnisse richtig gut. Auch, wenn es eine Erdgeschosswohnung in der Schöneberger Gleditschstraße ist.
Einziehen müssen mindestens drei Menschen, mieten darf die Wohnung nur, wer einen Wohnberechtigungsschein 100 oder 140 hat. Das klingt sozial, bedeutet beim 140er WBS für den rechnerischen Fall eines Ehepaars mit zwei Kindern jedoch, dass das Haushalts-Nettoeinkommen 26.600 Euro pro Jahr nicht überschreiten darf. Beim WBS 100 liegen die Einkommensgrenzen noch niedriger.
WBS-Berechtigte müssen 51.500 Euro Genossenschaftsanteile zeichnen
Bei einer Jahresmiete von 10.620 Euro bleiben dann noch knapp 16.000 Euro zum Leben übrig (wenn man Wohngeld oder andere Hilfen außen vor lässt), und auch ein Kredit wird fällig: Denn wer die Bleibe an der Gleditschstraße haben will, muss „wohnungsbezogene Pflichtanteile“ der Genossenschaft zeichnen. Für diese Wohnung 500 Euro pro Quadratmeter, insgesamt 51.500 Euro, fällig bei Vertragsunterzeichnung.
Die dürfte ein WBS-Berechtigter kaum mal eben locker machen können. Deshalb gibt es den Hinweis, dass die landeseigene Förderbank IBB zinslose Förderkredite mit einer Laufzeit von 20 Jahren vergibt – wenn man kreditwürdig ist.
170.000 Euro zahlen, um eine Wohnung mieten zu können?
Seltsam sind weitere Wohnungsangebote: Da wird für noch zu bauende Dachgeschosswohnungen in der Friedrichshainer Holteistraße geworben, ohne WBS zu beziehen. Sie sollen 72 bis 134 Quadratmeter haben, dafür muss man neben der Miete je nach Größe zwischen 92.500 und 170.000 Euro Anteile zeichnen.
Hier wird der Finanzbedarf der Genossenschaft besonders klar, heißt es doch auf der Internetseite: „Zur Vertragsunterzeichnung müssen 50 % des Zeichnungsbetrages eingezahlt werden, spätestens mit Vorlage der Baugenehmigung müssen mindestens weitere 50 % eingezahlt werden. Aus Sicht der DIESE eG ist eine Einzahlung des vollen Zeichnungsbetrages abweichend von dem vorstehend definierten spätesten Zahlungszeitpunkten außerordentlich wünschenswert und insofern jederzeit möglich.“ Man soll also früher zahlen.
Michael Heihsel, der für die FDP in der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg sitzt: „Diese Vorkasse zeigt, dass das ganze Konstrukt auf Kante genäht ist und Diese eG auf externes Geld angewiesen ist. Diese Angebote stehen seit Monaten auf der Inernetseite.“
Was die WBS-Wohnung angeht, sagte der FDP-Verordnete: „Die Genossenschaft wurde von vorne bis hinten als soziale Wohltat dargestellt. Das funktioniert so aber nicht, kaum jemand mit einem Wohnberechtigungsschein dürfte die Bedingen erfüllen können, die für das Anmieten nötig sind.
Strafbar war die Finanzierung nicht, aber politisch fragwürdig
Florian Schmidt (Grüne), Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, hatte über das bezirkliche Vorkaufsrecht fünf Häuser für „Diese eG“ erworben. Die konnte aber nicht zahlen, der Senat bewahrte sie (und damit auch Schmidt) nachträglich mit Krediten vor dem Untergang. Der Rechnungshof attestierte Schmidt pflichtwidriges Verhalten, ein Untersuchungsausschuss dagegen erteilte Schmidt im August 2021 mit rot-rot-grüner Mehrheit Absolution. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wurden eingestellt.
Im November 2021 gab es dann einen Nackenschlag für Berlin. Das Bundesverwaltungsgericht schränkte das Vorkaufsrecht der Bezirke ein. Die reine Mutmaßung, ein privater Käufer werde die Mieter verdrängen, reiche nicht, das Vorkaufsrecht in einem Milieuschutzgebiet durchzusetzen. Mutmaßlich muss ein Dutzend Häuser jetzt an die ursprünglichen Interessenten verkauft werden.