Auch in diesem Wohnblock in Marienfelde wurde Asbest im Fußboden gefunden.
Auch in diesem Wohnblock in Marienfelde wurde Asbest im Fußboden gefunden. Foto: Gerd Engelsmann

Kein Mensch weiß genau, wie viele Wohnungen in Berlin mit dem potenziell lebensgefährlichen Asbest belastet sind. Eigentlich sollte ein Asbestregister aufgebaut werden, um Klarheit zu schaffen, der Beschluss des Abgeordnetenhauses dazu stammt aus dem März 2018. Passiert ist fast nichts.

Der Grünen-Abgeordnete Andreas Otto, der sich seit vielen Jahren mit dem Thema befasst, ist verärgert: „Die Bilanz der abgelaufenen Legislaturperiode ist sehr dürftig.“ Weder gebe es das Asbestregister noch eine damals vom Parlament geforderte Beratungsstelle für Mieter und Wohnungseigentümer.

In der aktuellen Antwort der Staatssekretärin für Wohnen, Wenke Christoph (Linke), auf eine parlamentarische Anfrage Ottos wird wortreich ausgeführt, woran das liegt. Im Ergebnis aber heißt es: „Die technische, wirtschaftliche und rechtliche Umsetzbarkeit eines öffentlich verfügbaren Asbestregister ist derzeit noch in der Prüfung.“ Und was die Beratungsstelle angehe:„ Zur Arbeitsaufnahme bestehen vor dem Hintergrund  der aktuellen Pandemiesituation noch organisatorische Abstimmungsbedarfe.“ Im Übrigen könne eine verbindliche Fach- und Rechtsberatung ohnehin nicht zentral organisiert werden - „Ressortzuständigkeiten und Handlungsbefugnisse“ stünden dem entgegen.

Alle reden beim Thema Asbest mit

Andreas Otto sieht im Ressort-Wirrwarr schon einen Grund, dass es nicht voran geht: Zuständig seien die Bauverwaltung von Senator Sebastian Scheel (Linke), das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit (LAGetSi) als nachgeordnete Behörde von Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke), die Umweltverwaltung von Regine Günther (Grüne) und die Innenverwaltung von Andreas Geisel (SPD), falls die Umweltkripo ins Spiel kommt.

Andreas Otto kämpft seit vielen Jahren dafür, Berliner Wohnungen asbestfrei zu bekommen. 
Andreas Otto kämpft seit vielen Jahren dafür, Berliner Wohnungen asbestfrei zu bekommen.  Foto: Barbara Dietl / Grüne Fraktion Berlin

Vor allem aber, so analysiert der Abgeordnete, halte man das Thema im Senat offenbar nicht für so schlimm, und es sei nicht sexy: „Man kann keine Bänder durchschneiden.“ So ist es fraglich, ob das im letzten Koalitionsvertrag 2016 von SPD, Linke und Grünen vereinbarte Ziel „Asbestfreie Hauptstadt 2030“ zu erreichen ist: Wenn man nicht weiß, wo es Asbest gibt, kann man es auch nicht beseitigen.

Laut Senat sind knapp 50.000 landeseigene Wohnungen mit Asbest belastet, zu 80 Prozent im Westen der Stadt, wo entsprechende Bodenplatten verlegt worden waren, die es im Osten nicht gab. Otto schätzt, dass etwa die gleiche Menge an Wohnungen in Privateigentum betroffen ist. Das Problem: Werden die Platten oder andere Bauteile wie zum Beispiel Fassadenverkleidungen beschädigt, können die lungengängigen Asbestfasern frei werden und Lungenkrebs verursachen.

Otto will trotz der Senats-Trödelei nicht nachlassen: Das Thema soll auch den neuen rot-grün-roten Koalitionsvertrag rein, mit schärferen Zielvorgaben.