2022 über 700 Unfälle
Wie gefährlich sind die E-Scooter in Berlin wirklich?
E-Scooter sind vielen Berlinern ein Dorn im Auge. Sie stehen an jeder Ecke und sorgen für viele Unfälle. Aber sind die Flitzer echt so ein Problem?

Es ist bestimmt jedem Berliner schon passiert: Ein paar Jugendliche rasen mit E-Scootern auf dem Bürgersteig haarscharf an einem vorbei oder erwischen einen sogar. Man stolpert über die Roller, die wirklich überall in der Stadt im Weg herumstehen – oder liegen. Und im schlimmsten Fall war man schon in einen Verkehrsunfall mit den kleinen Flitzern verwickelt, die immerhin 20 km/h erreichen.
Wenig verwunderlich ist der Hass gegen die E-Scooter groß. Aber sie werden eben auch fleißig genutzt, viele junge Leute finden die Roller total praktisch und spaßig. Es lässt sich wohl auch nicht bestreiten, dass E-Scooter die moderne Mobilität verkörpern, umweltfreundlicher sind als beispielsweise Großroller – und einfach zum neuen Stadtbild von Berlin dazugehören … Ob man will oder nicht. Somit stellt sich hier die große Frage: Sind E-Scooter die Zukunft oder sind sie ein zu großes Problem?
So viele Unfälle gibt es tatsächlich mit E-Scootern
Bevor wir uns die Unfallzahlen anschauen: Wie viele E-Scooter gibt es überhaupt in Berlin? Sind es wirklich so viele? Ja, sind es: Fast 48.000 sogenannte Elektrokleinstfahrzeuge waren in Berlin im Mai 2023 zugelassen, 40.000 davon sind E-Scooter. Und die werden auch fleißig gefahren: Rund 12,1 Millionen Fahrten erfassten allein die Anbieter Tier und Voi, zwei von vier in Berlin aktiven E-Scooter-Verleihern, für das Jahr 2022 in der Hauptstadt – über drei Millionen mehr als im Vorjahr.
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Und wie viele Unfälle gab es bisher? Das Statistische Bundesamt betont: Die Zahl der E-Scooter-Unfälle mit Verletzten ist in Berlin und Brandenburg im vergangenen Jahr deutlich gestiegen! Das zeigt die im Mai 2023 veröffentlichte Unfallstatistik für das Jahr 2022: Demnach kamen im vergangenen Jahr in Berlin bei 768 E-Scooter-Unfällen Menschen zu Schaden. Zum Vergleich: 2021 sind es noch 542 registrierte Fälle gewesen – ein Anstieg von knapp 42 Prozent.
Auch bundesweit sieht es übel aus: Nach Angaben des Statistikamts waren 2022 in ganz Deutschland bei 8260 Unfällen mit den kleinen elektrobetriebenen Rollern Menschen zu Schaden gekommen – 49 Prozent mehr als im Vergleich zum Vorjahr. Besonders heftig: Elf Menschen seien bundesweit ums Leben gekommen, 2021 seien es fünf gewesen. Den deutlichen Anstieg führt die Behörde auf die steigende Zahl von E-Scootern zurück.

E-Scooter sind eine „Herausforderung für die Verkehrssicherheit“
Was sagt denn der Bund zu dem umstrittenen Thema? Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat in Berlin bezeichnet E-Scooter als „Herausforderung für die Verkehrssicherheit“ im Straßenverkehr. Diese Einschätzung teilt auch Nils Weber, Verkehrsdezernent der Polizeidirektion Hannover. Busse, Bahnen, Autos, Räder, Fußgänger – der innerstädtische Raum sei ohnehin knapp. „Durch die E-Scooter ist die Verkehrssituation noch anspruchsvoller geworden“, zitiert ihn die Deutsche Presse-Agentur.
Aber: Für Nils Weber seien E-Scooter-Fahrer nicht besser oder schlechter als andere Verkehrsteilnehmer auch. Der Verkehrsdezernent verweist auf den Lageplan „Neue Mobilitätsformen 2022“. Dort heißt es: „Es ist festzustellen, dass bei Verkehrsunfällen mit Beteiligung des E-Scooter-Verkehrs die Verursachung ganz überwiegend bei anderen Verkehrsbeteiligungsarten liegt.“ In Niedersachsen beispielsweise wurde 2022 nur rund ein Drittel der E-Roller-Unfälle von E-Scooter-Fahrenden selbst verursacht.
Das bedeutet im Umkehrschluss: E-Scooter-Fahrer waren selbst viel häufiger die Opfer der Unfälle. Oft werden sie von abbiegenden Pkw- oder Lkw-Fahrern übersehen und erfasst.
Ignoranz und Alkohol sind die schlimmste Kombination mit E-Scootern
Obwohl er die E-Scooter nicht verteufeln will, muss Verkehrsprofi Weber zugeben: Die Bereitschaft, sich an Verkehrsregel zu halten, lässt bei manchen der – überwiegend jungen und zu rund 70 Prozent männlichen – Nutzer von E-Rollern zu wünschen übrig! Ob zu zweit auf dem Roller, Wettrennen, Fahrten auf dem Fußweg, in falscher Richtung oder alkoholisiert … „Es ist viel Ignoranz im Spiel“, betont er.
Ebenfalls ein großes Problem: Der Anteil der unfallbeteiligten Elektrorollerfahrer, die Alkohol getrunken haben, liegt dem Mobilitäts-Lageplan zufolge bundesweit bei fast 15 Prozent! Zum Vergleich: Bei Radfahrern sind es nur fünf Prozent. Weber führt das unter anderem darauf zurück, dass E-Scooter oft spontan gemietet werden, abends, nach Kneipenbesuchen, Festen, Konzerten. „Die Leute lassen das Auto bewusst stehen, sehen dann auf dem Heimweg einen E-Roller und stellen sich spontan drauf.“
Über die Konsequenzen, die das haben kann, seien sie sich oft nicht bewusst. Viele wüssten nicht, dass die Promillegrenze beim E-Scooter-Fahren juristisch der für Autofahrer entspricht, nicht der für Radfahrer. Für Fahranfänger heißt das 0,0 Promille, für alle anderen 0,5 Promille. „Wenn es dann heißt, dass der Führerschein weg ist, sind sie ganz verzweifelt.“

So geht man im Ausland mit den E-Scootern um
Dass die Menschen noch um den Umgang mit E-Scootern ringen, zeigt ein Blick ins Ausland. Laut ADAC haben Großbritannien und die Niederlande die Mietroller verboten. Die Pariser fällten ihr Urteil im April – 89 Prozent votierten für die Abschaffung der Leihroller. 15.000 E-Scooter prägten bisher das Straßenbild der französischen Metropole, damit ist seit dem 1. September Schluss. Ein Teil der Flotte wird übrigens bald nach Berlin geschafft.
Auch die Details im Umgang mit E-Scootern sind weltweit unterschiedlich geregelt: In Kroatien besteht Helmpflicht, in Schweden ist das Parken der E-Scooter auf Fuß- und Radwegen verboten, und in Singapur müssen Roller-Fahrer erst einmal zum Theorietest. Das finnische Helsinki reduziert die Höchstgeschwindigkeit der Roller nachts auf 15 Kilometer pro Stunde, im norwegischen Oslo ist das Fahren mit E-Scootern zwischen 23 und 5 Uhr ganz verboten.
Wie lässt sich das E-Scooter-Problem lösen?
Für Polizeihauptkommissar Weber liegt der Schlüssel für die Lösung der Probleme in der gegenseitigen Rücksichtnahme. Das sei immerhin Paragraf 1 der Straßenverkehrs-Ordnung: „Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.“
Das gelte für alle und bei den E-Scootern nicht nur für die Fahrt, sondern auch das Abstellen, sodass niemand stolpere oder Slalom laufen müsse. Liege ein Roller mitten im Weg, seien aber nicht zwangsläufig die Fahrer dafür verantwortlich. „Es gibt auch Menschen, die sich über die E-Scooter ärgern und sie umtreten.“ Im Grunde sei es einfach, sagt Weber. Die Menschen müssten sich alle einfach mal ein Stück zurücknehmen, sich in andere hinein versetzen und nicht immer auf ihr Recht pochen. „Um Rücksichtnahme könnte es in der Gesellschaft allerdings besser bestellt sein.“

Berlin will Parkzonen für E-Scooter einführen
Ob Rücksichtnahme alleine da reichen wird? Vor allem in Hotspots wie Berlin bedarf es wohl ein paar mehr Maßnahmen, um die E-Scooter-Vorfälle zu minimieren. Eine wird bereits umgesetzt: Das Einführen von festen Parkzonen! In Mitte wurden rund um das Brandenburger Tor und den Potsdamer Platz im Frühling die ersten 19 neuen Abstellflächen für Sharing-Fahrzeuge fertiggestellt.
„Hier sind im Durchschnitt alle 200 Meter Standorte. Damit gibt es eine flächendeckende Parkverbotszone“, sagte Mittes Verkehrsstadträtin Almut Neumann (Grüne). Insgesamt sollen in diesem Jahr mehr als 100 dieser Abstellflächen in der Stadt entstehen – mit dem Ziel, das Chaos auf den Gehwegen ein bisschen einzudämmen.