Gerichtspleite für den Senat: Busspur in der Clayallee ist rechtswidrig und muss weg
Senat konnte die Notwendigkeit nicht begründen und hielt die Busspur in der Clayallee für unnötig. Trotzdem wurde sie angelegt.

Sie gelten als Rennbahnen des Nahverkehrs: Berlins Busspuren. Hier haben die Großen Gelben Vorfahrt – wenn sie nicht durch Falschparker oder Pop-up-Radwege ausgebremst werden. Nun gibt es eine richterliche Entscheidung im Falle einer ganz besonderen Busspur: Erst im Mai 2021 wurde sie auf der Zehlendorfer Clayallee angeordnet. Anwohner, die auf dem betroffenen Abschnitt zwischen Argentinischer Allee und Riemeisterstraße wohnen, hatten Widerspruch eingelegt. Nun haben sie recht bekommen.
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Von vorn: „Der ÖPNV wird dann attraktiv, wenn er am stockenden Autoverkehr vorbeifährt“, sagte BVG-Chefin Eva Kreienkamp (59) und hofft naturgemäß auf immer mehr Kilometer an Busspuren. In Zehlendorf war man zuletzt besonders schnell bei der Einrichtung neuer Busspuren. So weit, so gut. Doch in der Clayallee ging der Eifer jetzt nach hinten los.
Die grüne Senatsverkehrsverwaltung hat dort eine Busspur eingerichtet, obwohl sich daraus gar kein Vorteil für den BVG-Verkehr ergeben hätte. Hier rollte es schon vor Einrichtung der Spur flott voran. Anwohner Dietrich Hinkefuß ist sauer: „Die Spur ist unsinnig, weil alle Busse hier auch ohne gut durchkommen.“ Die Aktion sei vielmehr einer Mengenideologie wie in der DDR entwachsen, wo man vorweisen müsse, irgendetwas getan zu haben, egal ob sinnvoll oder nicht. Eine weitere Anwohnerin, Dorothee, pflichtet bei: „Es ist kein Verlust, wenn die Spur wieder verschwindet. “
Zeitersparnis minimal
Die zwischen verschiedenen Haltestellen in der Clayallee festgestellten Abweichungen zwischen tatsächlich gemessener und bestmöglicher Fahrzeit hätten im Mittel tatsächlich lediglich zwischen elf und 26 Sekunden gelegen, so das Gericht. Nur für ein paar Sekunden Vorsprung müssen aber andere Verkehrsteilnehmer ausgebremst werden. Das wollten Anwohner so nicht hinnehmen und klagten.
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Vor Gericht bekamen sie recht. Im Vorfeld der Einrichtung hatte Adrian Grasse (47), CDU-Chef von Zehlendorf-Mitte, eine Bürgerbefragung durchführen lassen: 214 Anlieger waren gegen die Busspur, 38 dafür. Nach dem Urteil teilte er mit: „Die Anordnung von Busspuren darf keinesfalls willkürlich und grundlos gegen den Willen von Anwohnern erfolgen. Von daher begrüßen wir das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts zur Aufhebung der Sonderspur in der Clayallee. Es ist die Quittung dafür, dass Senat und Bezirk über die Köpfe von Anwohnern hinweg entschieden haben. Das Gericht stärkt damit die Interessen Betroffener.“

Es scheine leider Praxis der grünen Verkehrsverwaltung und einiger Bezirke zu sein, Busspuren und die Entwidmung von Parkplätzen ohne Bürgerbeteiligung durchzusetzen. „Dadurch wird der Suchverkehr in Anwohnerstraßen unnötig verstärkt, die Luftverschmutzung in den betroffenen Gegenden nimmt zu. Das schlecht abgestimmte Vorgehen führt auch zu unliebsamen Folgen wie aktuell in der Edisonstraße in Oberschöneweide, wo ein Radweg mitten auf dem Gehweg zur Gefahr für Fußgänger wird.“
Auch Hubertus und Sabine Spielhagen wohnen in der Nähe, seit 30 Jahren haben sie hier keinen Stau gesehen. Bis die Busspur kam. Viel wichtiger sei es, den Radverkehr besser zu organisieren. Er könnte anstelle der Busspur besser auf der Straße stattfinden und nicht auf dem Bürgersteig.
Straßenverkehrsbehörde konnte keine echte Behinderung der Busse beweisen
Das Gericht urteilte weiter, die Behörde habe außerdem ihren Ermessensspielraum überschritten: Laut einer bundesweit gültigen Verwaltungsvorschrift dürfen „Sonderfahrstreifen in der Regel nur bei einer Frequenz von mindestens 20 Omnibussen des Linienverkehrs pro Stunde der stärksten Verkehrsbelastung“ eingerichtet werden. Hier habe die Behörde aber eine Mindestfrequenz von lediglich neun Bussen pro Stunde ausreichen lassen.
Senat ordnete Busspur an, obwohl er sie für unnötig hielt
Den schwersten Hammer ließ das Gericht aber darüber fallen, dass die Senatsverwaltung selber schon bemerkt hatte, dass die Spur wohl gar nicht erforderlich ist. Nur auf Wunsch der BVG war sie dennoch eingerichtet worden. Die Verkehrsbetriebe wollen sich aber zu der Sache nicht äußern. Der Senat hat jetzt einen Monat Zeit, Beschwerde gegen die Entscheidung beim Oberverwaltungsgericht einzulegen. Sollte das erfolgen, muss dessen Entscheidung abgewartet werden, ehe der Beschluss rechtskräftig wird. Die Schilder und Straßenmarkierungen müssten ansonsten spätestens eine Woche nach Inkrafttreten des Beschlusses entfernt werden.

Berlin, deine Busspuren
Zwischen 2019 und März 2022 haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) einer Anfrage zufolge über 110 Busspuren beantragt. 72 davon wurden abgelehnt oder zurückgestellt. Der häufigste Grund: Die Busfrequenz auf der jeweiligen Strecke sei zu niedrig – das betrifft 26 Fälle. Von den 110 beantragten sind lediglich 30 Busspuren seit 2019 umgesetzt worden.
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Der Fall Clayallee werfe ein Schlaglicht auf die Problematik der Einrichtung neuer Bussonderfahrstreifen, weil diese nach den geltenden Vorschriften der StVO deutlich aufwendiger zu begründen sind als etwa Radverkehrsanlagen, heißt es zu dem Urteil aus der Verkehrsverwaltung.
Auch nach der Schlappe sei die Einrichtung von Busspuren aber eine „wichtige Maßnahme, um den klimaschonenden und stadtverträglichen ÖPNV attraktiver zu machen, weil Fahrpläne und Reisezeiten so besser einzuhalten sind“. Und weiter: „Die SenUMVK prüft daher Möglichkeiten, wie die Einrichtung von Busspuren künftig zu erleichtern ist, etwa indem die rechtlichen Rahmenbedingungen geändert werden.“ Auch prüfe man derzeit, Rechtsmittel gegen das Urteil einzureichen.